Durst: Thriller (German Edition)
hinzuschicken, dachte er.
Mittlerweile war es stockduster. Mit hoher Geschwindigkeit fuhr er durch die Stadt und nahm die Straße nach Valsa. Nach etwa zehn Kilometern fielen die Scheinwerfer seines Passats auf eine Gestalt, die mit großen Schritten in seine Richtung kam. Als sie den gesamten rechten Rahmen der Windschutzscheibe ausfüllte, lächelte Nelson.
» Sarah Clarice isst kein Fleisch « , sagte Nelson Braga zu seiner Frau, als die in Richtung Küche ging, um den Herd anzuschalten.
» Reis und Bohnen sind wunderbar « , sagte Sarah Clarice und trat zögernd ein.
» Keine Sorge « , sagte Sandra lächelnd. » Mir fällt schon etwas ein, was ich dir anbieten kann. Du kannst dich in der Zwischenzeit frischmachen. Das hast du sicher nötig. «
Sarah Clarice nahm das Angebot an. Sandras Bad war ziemlich groß und vollständig mit weißen, hellblau gemusterten Fliesen gekachelt. Aus dem Duschkopf kam ein kräftiger Wasserstrahl, und die Temperatur war perfekt. Sie hätte selbst nicht sagen können, wie lange sie unter der Dusche stand.
Als sie in die Küche zurückkehrte, saß Nelson an einem langen Holztisch und aß getrocknetes Fleisch. Sarah Clarice bekam einen Teller mit Reis und Bohnen, in Butter gebratenem Maniok und gedünstetem Gemüse. Dann ließ Sandra die beiden allein.
Nachdem Sarah Clarice ein wenig in ihrem Essen herumgepickt hatte, schaute sie Nelson an.
» Was hältst du von den Fotos, die ich dir gezeigt habe? «
Nelson legte Messer und Gabel auf den Teller.
» Ehrlich gesagt bin ich überrascht. Nicht so sehr über den Zustand der Frau, denn diese Form von viraler Gastroenteritis ist ziemlich gravierend. Aber so etwas wie dieses Kind habe ich noch nie gesehen. Wie kann es zu solchen Verstümmelungen kommen? Ich werde dafür sorgen, dass er ins Krankenhaus von Juazeiro gebracht wird, auch wenn ich jetzt schon sagen kann, dass da nicht mehr viel zu machen ist. «
» Lucas ist nicht das einzige Kind in diesem Zustand. «
» Wie viele sind es? «
» Genau weiß ich das nicht. In São Pedro sind es jedenfalls drei. Und wie es aussieht, gibt es in Valsa auch noch ein paar. Bis dorthin bin ich aber nicht mehr gekommen. «
» Und was macht ihr in einem solchen Fall? «
» Ich schreibe einen ausführlichen Bericht, dann bringt die NGO die Sache an die Öffentlichkeit. In diesem Fall möchte ich aber sogar noch weiter gehen. «
» Inwiefern? «
» Ich halte es für wichtig, das Wasser in diesem Flussabschnitt noch einmal analysieren zu lassen, damit der Bericht vollständig ist. Das ist aber nicht ganz einfach. «
» Neue Analysen machen zu lassen? «
» Ja. Sie vor allem so machen zu lassen, dass sie amtlich sind. Ich kann ja nicht einfach zur chemischen Fakultät der Universität von Bahia gehen, wo die Analysen ursprünglich gemacht wurden, und die Leute dort bitten, das Ganze noch einmal aufzurollen. Immerhin wurden die Ergebnisse von der Regierung gebilligt. Die Sache wäre mit erheblichem bürokratischen Aufwand verbunden. «
» Müssen die Analysen denn unbedingt amtlich sein? «
» Wie meinst du das? «
» Müssen sie unbedingt offiziell durchgeführt werden, wollte ich sagen? Reicht es nicht, wenn du den Beweis dafür hast, dass das Wasser kontaminiert ist, um das in deinen Bericht schreiben zu können? «
» Theoretisch ja. In der Praxis verliert der Bericht dann aber an Schlagkraft. «
Nelson schwieg und stand auf. Er nahm eine Flasche sehr alten Cachaça von der Anrichte und goss sich sein Glas bis zum Rand voll. Langsam nippte er daran. Im Nachbarzimmer war der Fernseher zu hören.
Sarah Clarice riss ein Stück von ihrem gebratenen Maniok ab, steckte es in den Mund und dachte laut nach. » Leicht ist das nicht. Und selbst wenn ich inoffizielle Untersuchungen in Auftrag gebe, muss ich mir sicher sein können, dass die Daten unangreifbar sind. Dazu brauche ich ein anerkanntes Labor. Es reicht nicht, irgendeinen selbsternannten Experten zu nehmen, verstehst du? «
Nelson hatte zugehört und dabei ins Dunkel jenseits des Fensters gestarrt. Nun setzte er sich wieder, als hätte er beschlossen, einen quälenden Gedanken zuzulassen.
» Vielleicht wüsste ich eine Person, die deinen Anforderungen genügen würde. «
Sarah Clarice war sofort hellwach. » Wer? «
» Mein Bruder « , sagte Nelson und presste die Lippen zusammen. » Mein Bruder Matheus ist der beste Biochemiker, der zurzeit in Brasilien herumläuft. Bliebe nur herauszufinden, ob er bereit ist, dir zu helfen.
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