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Durst: Thriller (German Edition)

Durst: Thriller (German Edition)

Titel: Durst: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alberto Riva
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verschluckt, und so wurde er Sebastian.
    Dieser Abschnitt seines Lebens kam ihm wie eine alte Geschichte vor, so alt, dass sie manchmal die Geschichte einer anderen Person zu sein schien, ein Märchen oder eine uralte Legende.
    Rosario lag in der Provinz Santa Fe, die zusammen mit der Masse der Bauern und Landbesitzer wuchs. Es gab aber auch viel Industrie, die ganze Wellen von europäischen Immigranten aufsog. Die Gegend war arm, aber durchdrungen von einer gewissen Lebensenergie. Seine Mutter fand Rosario hässlich, aber Sebastian gefiel der belebte Hafen am Paraná mit seinem braunen Wasser, das sich bei Sonnenuntergang golden färbte. Oft kehrte er nach der Schule nicht nach Hause zurück, um seine Hausaufgaben zu machen, sondern ging mit seinen Freunden, die mindestens drei verschiedene Sprachen sprachen, zu den Kais, um die vollbeladenen Schiffe in Richtung Buenos Aires auslaufen zu sehen. Er träumte davon, mit einem dieser Schiffe fortzufahren, irgendwo in die Welt hinaus. Stattdessen verbrachte er die meisten Nachmittage in dem Zimmer über der Bäckerei, das neben einem weiteren Zimmer ihre Wohnung ausmachte. Seine Mutter verkaufte Brot und Focaccia, und er musste sich um seine kleine Schwester kümmern. Lernen fiel Sebastian leicht, aber er hatte keine Freude daran, denn er lernte in einer anderen Sprache als der, die er zu Hause sprechen musste.
    Mit der Zeit entwickelte sich die Gegend um die Plaza 25 de Mayo zu einem Geschäftszentrum, und die Bäckerei lief immer besser. Sein Vater stand die ganze Nacht am Ofen, ruhte sich am Morgen ein wenig aus und kehrte dann an die Arbeit zurück, um den Teig anzusetzen. Eines Tages erschien ohne Vorwarnung ein junger, muskulöser Mann und wurde erst Gehilfe, dann Geselle in der Backstube. Für Sebastian war das ein harter Schlag.
    › Du sollst lernen und nicht backen ‹ , schimpfte sein Vater. › Schon weil das Brot hier nicht wirklich gelingen kann. Hast du kapiert? ‹
    Sebastian kapierte keineswegs. › Warum sagst du das? Die Leute sind verrückt nach deinem Brot. Schau dir die Schlange an. ‹ Er mochte das Brot. Alle mochten Alfredos Brot.
    Aber sein Vater hatte für alles eine Erklärung. › Das Wasser hier mag gut sein fürs Land, das Land der Großgrundbesitzer von Santa Fe ‹ , antwortete er. › Es ist gut für die Gauchos der Pampa, aber für das Brot ist es nicht gut. Und Brot wird mit Wasser gemacht. Wenn das Wasser nicht gut ist, kann das Brot nicht gelingen. Da ist nichts zu machen. ‹ Er schüttelte den Kopf mit der Riesennase, von der Sebastian wusste, dass er sie geerbt hatte. Er schämte sich dafür. Es war eine italienische Nase. Die Nase eines Immigranten.
    1946 wurde Juan Perón Präsident und begann, Teile der Industrie zu verstaatlichen. Sebastian war zwanzig, und er hatte es satt, mit seiner Schwester, seiner Mutter und dem zunehmend reizbaren Vater in zwei Zimmern zu wohnen.
    Er schmiss das Studium und fand Arbeit in einer Textilfabrik, in der Militäruniformen hergestellt wurden. Eine grauenhafte, monotone und gelegentlich auch gefährliche Arbeit– denn die Höllenmaschinen konnten verletzen und töten. In der Fabrik geschahen allerdings zwei Dinge, die über den Verlauf seines Lebens bestimmen sollten. Wie die meisten Textilunternehmen beschäftigte auch dieses fast nur Frauen, junge argentinische Arbeiterinnen. Magdalena war das schönste Mädchen, das Sebastian je gesehen hatte. Er sorgte dafür, dass in ihrer Abteilung immer irgendein technisches Problem auftauchte. Die Liebe war nur eine Frage der Zeit, eine überwältigende Liebe, die alles Glück der Welt zu verheißen schien.
    Außerdem lernte er Pino kennen.
    Pino Juárez war der technische Leiter seines Teams, ein Indianer mit dunkler Haut und schwarzen Augen. Er schloss sofort Freundschaft mit ihm.
    Am ersten Mai 1948 war Sebastian früh aufgewacht. Er wollte den Feiertag mit Magdalena verbringen und sie fragen, ob sie ihn heiraten wolle. Er hatte ihr sogar einen billigen Ring mit einem kleinen Brillanten gekauft. Sie waren am Parque de la Independencia verabredet. Es war ein regnerischer Tag im südamerikanischen Herbst, aber Sebastian fand ihn herrlich. Magdalena kam nicht zu der Verabredung, und so ging er zu ihr nach Hause. Nachdem er lange auf ihre Schwester eingeredet hatte, konnte die sie schließlich dazu bewegen, ihr Zimmer zu verlassen. Man sah, dass sie geweint hatte. In den nächsten Minuten erzählte ihm Magdalena, dass sie in eine Stadt ziehen würden,

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