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Durst: Thriller (German Edition)

Durst: Thriller (German Edition)

Titel: Durst: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alberto Riva
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Ferne eintreffenden Holzkisten. Er lernte, Etiketten zu unterscheiden: die Etiketten der besten Portweine und die der edelsten Sherrys, die von den reichen Engländern in Shanghai sehnsüchtig erwartet wurden, und die der kostbaren französischen Champagner. Noch stärker als den Etiketten galt sein Interesse allerdings den Flaschen. Diese schönen Behältnisse, die das Aroma der Spirituosen über Jahre hinweg in sich verschlossen, faszinierten Sebastian. Der Cognac liebte die schwellende Silhouette, schottischer Whisky kam feierlich daher, während Dessertwein aus Sizilien nicht anders reisen konnte als in zarten Flaschen mit dünnem Hals. Nicht die Flüssigkeit passte sich dem Behältnis an, es war genau umgekehrt.
    So vergingen einige Jahre. Sebastian lernte Chinesisch und hatte bald viele Freunde. Und alle kannten ihn unter dem Namen › der Argentinier ‹ .
    Maos Herrschaft war dem Geschäft des Belgiers nicht zuträglich, und so musste das Unternehmen 1954 die Tore schließen. Zu dieser Zeit lebte Sebastian mit einer älteren Frau zusammen, einer anmutigen, faszinierenden Chinesin namens Su Wong. Manch einer behauptet, sie sei die Witwe eines SS -Offiziers gewesen, der nach dem Untergang Berlins mit einem Haufen Gold in den Taschen hatte fliehen können. Derselben Quelle zufolge hatte Su Wong als Spionin in den Diensten der japanischen Polizei gestanden.
    Der Nazi war, wie sollte es anders sein, dem Champagner zugetan und gehörte zu den besten Kunden des Belgiers. Bald schon begann das Liebesverhältnis zwischen Sebastian und Su Wong.
    Am 16. Februar 1956 wurde die gehobene Shanghaier Gesellschaft von einer furchtbaren Nachricht erschüttert: In der Badewanne des großen Hauses am Fluss hatte man Su Wongs Leiche gefunden, mit aufgeschnittenen Pulsadern. Die zuständigen Instanzen mochten nicht an Selbstmord glauben und beschuldigten den Argentinier der Tat. Von ihm fehlte allerdings jede Spur, und der Tresor im Haus war leer.
    Hier bricht seine Lebensgeschichte für einige Jahre ab. Niemand weiß mehr etwas über ihn.

23
    Heute existiert es nicht mehr, aber gegen Ende der Fünfzigerjahre gab es in einem schmutzigen, schlecht beleuchteten Gässchen im alten Bangkok ein Restaurant namens Ping Li. Es gehörte einem alten Thai mit Glatze, kleinen, feuchten Äuglein und zwei lang herabhängenden grauen Schnurrbartenden. Sein Name war Luon Li O.
    Er war Witwer und nicht gerade gesprächig. Seit dem Tod seiner Frau führte er das kleine Restaurant alleine, unterstützt von einer jungen Kellnerin und zwei Köchen. Das Ping Li war oft voll– zum einen, weil es nur wenige Tische besaß, zum anderen aber auch wegen seines guten Rufs. Man aß dort sehr gut, und Luon Li O war ein ehrenwerter Mann.
    Obwohl sich in der Nähe des Ping Li der Wat Traimit befand, der Tempel des Goldenen Buddha mit der imposanten, so unergründlich dreinschauenden Buddha-Statue aus über fünf Tonnen Gold, war es eine der elendsten Gegenden der Stadt. Im Morgengrauen, wenn die Luft noch nicht vom Essensgeruch der tausend Garküchen erfüllt war, von Teigtaschen mit Curryhuhn und frittierten Garnelen mit Ingwer, konnte man die salzige Luft des Flusses riechen, des Chao Phraya.
    An jenem Morgen war die Sonne hinter dem schwimmenden Markt sicher längst aufgegangen, aber in die Gasse wollte das Licht noch nicht vordringen. In der Nacht hatte es geregnet, und vom Pflaster stieg bläulicher Wasserdampf auf.
    Die Szene, die Sebastian vor Augen hatte, dürfte mehr oder weniger die folgende gewesen sein: Der Körper des Alten liegt in einer unnatürlichen Position am Boden, der Junge kniet auf ihm und ist damit beschäftigt, in seinen Taschen herumzukramen. Es war ein hagerer Junge, der etwas trug, das an Fetzen erinnerte, während seine Füße nackt waren. Sobald er Sebastian sah, sprang er auf und machte sich davon.
    » Was glotzt du so, du Dreckschwein? « , zischte er, als er an Sebastian vorbeikam.
    In diesem Moment hörte man den Alten mit erstickter Stimme rufen: » Gib mir mein Geld zurück, du Hundesohn. «
    Weit kam der Junge nicht. Etwas traf ihn mit der Präzision eines Projektils an der Stirn. Das Geld verteilte sich auf dem Straßenpflaster. Bevor der Junge in sich zusammensackte, starrte er Sebastian ungläubig an, dann kippte er um und stöhnte. Sebastian sammelte die schmutzigen Geldscheine ein und drehte sie zu einer Rolle zusammen. Dann ging er zu dem Alten, der irgendetwas brummte und aufzustehen versuchte.
    » Wie geht es Ihnen?

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