Durst: Thriller (German Edition)
verhedderten sich Linien und Worte. Ihm schwindelte.
» Okay, schick mir die Mail. Und Apostolos Nummer. «
» Ich denke, du wirst nach Rio fahren müssen, Matheus. «
» Erst möchte ich alles wissen. Dann fahre ich nach Rio. «
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» Was soll das heißen, du fährst nach Rio? Wann? «
» Vielleicht schon heute Abend. Ich könnte den Nachtbus nehmen. «
» Warum denn den Bus? «
» Dann kann ich noch ein bisschen nachdenken. «
» Fahr nicht, Matheus, das halte ich nicht für eine gute Idee. «
» Du begreifst nicht, Cássia. Die Sache muss ein Ende haben. Ich muss unbedingt mit diesem Journalisten reden. «
Cássia schwieg. Irgendwann erkundigte sie sich: » Und wo wirst du in Rio wohnen? «
» In irgendeinem Hotel, was weiß ich? «
Cássia spürte, wie sie die Wut packte. Sie hatte die Dinge einfach nicht mehr in der Hand. Im Moment saß sie noch an ihrem Schreibtisch in ihrem Luxusbüro und hatte eine blöde, schwierige, unerträglich langweilige Sitzung mit Mandanten vor sich.
» Wann fährst du denn? Warte auf mich. Fahr auf keinen Fall, bevor ich nicht zu Hause bin. «
» Und wann kommst du? «
Cássia biss sich auf die Lippe. » Weiß nicht. Hängt ein bisschen davon ab… «
» Mach dir keine Sorgen, Cássia. Ich bin ja nur einen Tag weg. «
» Okay, sag mir noch Bescheid. «
Sie schickten sich einen Kuss durchs Telefon.
Ein paar Stunden später saß Matheus im Busbahnhof von São Paulo und wartete auf die Abfahrt seines Busses. Die Wartehalle war so groß wie das Terminal eines internationalen Flughafens. Gegen Mitternacht befand er sich auf dem Weg aus der Stadt heraus. Er betrachtete die verschwommenen Lichter, bis sein Kopf vor Müdigkeit an die Rückenlehne sank. Hinter den geschlossenen Augen wirbelten die Gedanken allerdings wie Laub im Wind umher. Vielleicht lag es am gleichmäßigen Ruckeln des Busses, aber irgendwann legte sich der Wind, und die Gedankenblätter trudelten langsam zu Boden.
Bei Morgengrauen erreichte der Bus Rio de Janeiro. Um diese Zeit war die Avenida Brasil von Pendlern verstopft, und so bewältigten sie die letzte halbe Stunde im Schritttempo. Vor dem Busbahnhof stieg Matheus in einen Linienbus, der ins Zentrum fuhr. Der Himmel war wolkenlos, aber die unglaubliche Hitze hüllte alles in einen dichten Dunst.
Er durchquerte das Zentrum und erreichte die Strandpromenade von Flamengo. Nachdem er ein Stück am Meer entlanggegangen war, betrat er ein großes, anonymes Hotel gegenüber vom Park des ehemaligen Regierungspalasts. Er ließ sich ein Zimmer mit Meerblick geben, von dem aus man die bräunliche Silhouette des Zuckerhuts vor dem knallblauen Himmel sah. Im Restaurant nahm er ein Frühstück zu sich. Der Kaffee war exzellent, das Obst wunderbar frisch. Danach verließ er das Hotel und machte einen Spaziergang im Park von Flamengo. Um diese Zeit war fast niemand unterwegs. Ein paar Jogger mit Ohrstöpseln drehten ihre Runden, auf dem Radweg schossen Fahrräder vorbei, und unter den Mandelbäumen verstauten obdachlose Familien ihr Hab und Gut in Plastikbeuteln. Man hörte nichts als das Kreischen der Papageien und den gedämpften Verkehrslärm in der Ferne.
Carlo Apostolo hatte geschrieben, dass es im Hochparterre des Hotels ein Café gebe, wo Matheus bis halb eins auf ihn warten solle. Wenn er dann immer noch nicht aufgetaucht sei, solle Matheus die erste Nummer auf der Liste anrufen, die er ihm mitgeschickt habe.
Matheus kaufte ein paar Zeitungen, kehrte ins Hotel zurück und betrat das Café. Er setzte sich an einen Tisch am Fenster und begann zu lesen. Die Zeit verstrich langsam. Um Viertel vor eins war immer noch niemand erschienen. Jedes Mal, wenn er jemanden das Café betreten hörte, schaute Matheus auf und widmete sich dann wieder seiner Lektüre. Um eins erhob er sich, verließ das Hotel, ging zu einem Kiosk an der Catete und kaufte eine Telefonkarte. Von einem öffentlichen Telefon rief er die Nummer an, die Carlo Apostolo ihm gegeben hatte.
» Hallo? Ich würde gern mit Lirio Fabbri sprechen. «
» Am Apparat « , antwortete die ruhige Stimme des Anwalts aus Curitiba.
» Guten Tag, mein Name ist Matheus. Carlo Apostolo hat mir Ihre Nummer gegeben. Wir arbeiten zusammen an der Sache, über die Sie vor einigen Tagen gesprochen haben. « Er war selbst verblüfft, wie leicht ihm die Lüge über die Lippen kam.
» Ah, sicher. Ich habe Ihren Kollegen ein paar Mal angerufen, habe ihn aber nie erreicht. Es war nicht ganz einfach, aber ich habe
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