Durst: Thriller (German Edition)
Fachkommission für Biosicherheit genehmigt werden muss. Was soll bitte schön der Grund dafür sein? «
Bidaqui schwieg einen Moment. » Das wird in der Anlage A-15 ausführlich erläutert « , antwortete er dann. » Da es sich um ein Klärverfahren für Trinkwasser handelt, wird das Ergebnis ein bonifiziertes Wasser sein, welches unserer Meinung nach– und hier spreche ich ausdrücklich im Namen des Ministers– vollkommen zu Recht durch ministerielle Sicherheitsauflagen geschützt werden sollte. «
» Geschützt? Habe ich da richtig gehört? « Lemsky Soares ließ sich gegen die Stuhllehne plumpsen und schüttelte den Kopf. Zerstreut blätterte er in dem Konvolut herum.
» Was ist eigentlich das Problem? « , mischte sich einer der Anwesenden ein. » Das Dokument enthält doch erstklassige Gutachten, was soll ich sagen… Gutachten von maßgeblichen chemischen Instituten… «
Lemsky tat, als hätte er den Kollegen gar nicht gehört.
» Ich sag’s noch einmal « , beharrte er müde. » Meines Erachtens muss der BN -00 auf den Tisch der Zentralkommission zurück. Ständig beklagen wir uns, dass wir unbesehen ganze Lawinen von Vorgängen genehmigen– aber wenn wir endlich einmal die Gelegenheit haben, etwas zu hinterfragen, dann machen wir einen Rückzieher… «
Das war kein Vorschlag, sondern eine kühle Feststellung gewesen. Bidaqui presste die Lippen zusammen. Er hätte gern entsprechend reagiert, entschied sich dann aber, die Sache nicht überzustrapazieren. Die langjährige Erfahrung hinter den Kulissen der Macht hatte ihn gelehrt, dass eine direkte Konfrontation nichts brachte. Erfolg war nur eine Frage von Zeit. In den Bänken des Nationalkongresses und im Fernsehen mochte Polemik gut sein– hier war sie schädlich.
» Gut « , sagte er. » Lassen wir die Prüfung des BN -00 also sein und schicken das Ganze zur Zentralkommission zurück. Als äußerst dringliche Angelegenheit allerdings. «
Die Anwesenden schienen überrascht, sagten aber keinen Ton.
Fernando Lemsky Soares lächelte. » Gut. Was haben wir noch? «
» Nichts. Das war der letzte Punkt für heute. «
Carlos Alberto Bidaqui erhob sich aus seinem Sessel und verabschiedete die Anwesenden. Sein Tag war noch lange nicht zu Ende.
7
Paulo Henrique Johannsen, genannt Paulão, weil er mehr als einhundertzwanzig Kilo wog, beharrte darauf, dass die Dinge ihren geregelten Gang gingen. Und jetzt waren diese verdammten Knastbrüder dabei, seine Pläne zu durchkreuzen. Er schwitzte derart, dass sein weißes, in feinster Schneiderkunst verfertigtes Hemd– in Granatrot waren die Buchstaben PHJ eingestickt– an seinem mit Räucherlachs und deutschem Bier gefüllten Bauch schon ganz durchsichtig war.
Paulão stand an der marmornen Kochinsel in der Küche seines gewaltigen Hauses in Morumbi und grübelte.
Es gab immer eine Lösung, man musste nur nachdenken. Das war der Lieblingsspruch seines Vaters Josef, und was sein Vater sagte, war Gesetz. Ein altes Gesetz, musste man dazusagen, aber trotzdem gültig.
Er stürzte ein eiskaltes Bier hinunter und griff, einen Schaumbart an der Oberlippe, nach seinem Handy. Schnell ließ er das Adressverzeichnis durchlaufen. Schließlich fand er die Nummer, die er suchte.
» Guten Tag, hier ist Paulo Johannsen. «
Am anderen Ende der Leitung die freundliche Bitte, einen Moment zu warten.
Dann eine tiefe, ruhige Stimme. » Doktor Johannsen, was für eine Freude… «
» Herr Anwalt, wie geht’s? Verzeihen Sie die Eile, aber ich habe ein Problem, das dringend gelöst werden muss. Dabei hatte ich an Sie gedacht. «
» Zu viel der Ehre. Worum geht es denn? «
» Eigentlich handelt es sich nur um eine dumme Geschichte, und in Anbetracht der späten Stunde… «
» Aber nicht doch, Doktor. « Der tiefen, von den vielen Havanna-Zigarren leicht kratzigen Stimme war eine gewisse Anspannung anzuhören.
» Dieses Chaos wird langsam zum Problem für mich. «
» Das gilt sicher für uns alle. «
» In der Tat. Deshalb habe ich mich auch gefragt, ob man nicht einen Waffenstillstand aushandeln könnte. «
» Da sind Sie vermutlich nicht der Einzige. «
Paulo Johannsen bezog sich auf eine Reihe von Attentaten, die Mitglieder einer Verbrecherbande namens PCC – Primo Comando della Capitale – im Mai 2006 auf Ordnungskräfte von São Paulo verübt hatten, um sich für die Verlegung ihrer Bosse in ein anderes Gefängnis zu rächen. Tagelang war São Paulo von den Schlägen der Stadtguerilla erschüttert worden.
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