Durst: Thriller (German Edition)
auf der Nase, empfing Elisabetta Johannsen sie am Ende des langen weißen Kieswegs, der vom Heliport zum Haus führte, einer neoklassizistischen Villa im Long-Island-Stil mit ein paar kitschigen mediterranen Elementen. Der Park um die Villa herum war raffiniert gestaltet. Der Teil, der zum Meer hin abfiel, war mit englischem Rasen bepflanzt und beherbergte den J-förmigen Swimmingpool. Auf dem rückwärtigen Teil, den Elisabetta › meine Macchia ‹ nannte, wuchsen Seekiefern, Mandelbäume, riesige Palmen und Flammenbäume.
Elisabetta war ein paar Jahre jünger als Paulão, aber auch nicht mehr ganz schlank. Ihr Gesicht mit den tiefschwarzen Augen strahlte Entschlossenheit aus. Sie hasste São Paulo und verbrachte praktisch das gesamte Jahr auf Ilhabela. Mit der Unterstützung einer Armada von Haushaltshilfen hatte sie die Villa für den morgigen Besuch tadellos hergerichtet. Dies war ein Territorium, auf dem Jessica Paes Leme nichts zu sagen hatte. In dieser Hinsicht bestand eine unterschwellige Komplizenschaft zwischen ihr und Antônio Netto.
» Wie war der Flug? «
» Ausgezeichnet. « Johannsen küsste sie auf den Mund. » Und wie geht es dir? «
» Nicht schlecht. Jetzt bete ich nur, dass sich das Wetter hält. «
» Ich habe Hunger. «
» Für heute Abend ist alles fertig. «
» Gut. Lass uns früh essen. «
Elisabetta wandte sich an den Anwalt, der etwas abseits stehen geblieben war. » Antônio, ich habe Ihnen das übliche Zimmer herrichten lassen. Sie kennen ja den Weg, nicht wahr? «
Das war ein Befehl. Netto nickte und ging durch die Arkaden, die zum Zimmer auf der Rückseite des Hauses führten.
Als der Anwalt fort war, wandte sich Elisabetta an ihren Mann.
» Wollte Bruno nicht mitkommen? «
» Wollte er, doch. Er hat gesagt, dass er vielleicht morgen nachkommt. Heute hat er zu tun. «
» Und das nimmst du ihm ab? «
» Ja, Elisabetta. Warum denn nicht? «
Seine Frau schwieg und nahm die Brille ab. Ihre Augen waren müde. » Ich mache mir Sorgen. «
Paulo lächelte auf unergründliche Weise. Die hellen Augen in seinem fetten Gesicht waren immer noch die alten. » Das musst du nicht. Bruno ist erwachsen und geht seinen Weg. Es ist auch nicht unbedingt nötig, dass er an dem Treffen teilnimmt. «
Sie musterte ihn. » Hast du schon einmal darüber nachgedacht, ob er vielleicht mit deiner Unternehmenspolitik nicht einverstanden ist? «
Plötzlich fühlte er sich leicht gereizt. » Sicher, schon möglich. «
» Und das beunruhigt dich nicht? Dich scheint wirklich nichts aus der Fassung zu bringen. «
» Es ärgert mich eher, als dass es mich beunruhigt. Ich war auch nicht immer einverstanden mit den Entscheidungen meines Vaters, aber das hat ihn nicht daran gehindert, seinen Stiefel durchzuziehen. Außerdem habe ich ebenfalls Dinge getan, die ihm nicht gepasst haben. «
» Was willst du damit sagen? Dass alles seine Zeit hat? «
» Genau, alles hat seine Zeit. So funktioniert das eben in einem Imperium. «
Sie lächelte schief. » Mir kommt es so vor, als würde sich Bruno stärker von allem distanzieren, als du es wahrhaben möchtest. «
» Elisabetta, entschuldige, aber müssen wir das jetzt diskutieren? Ich habe gerade erst den Fuß auf die Erde gesetzt. «
Sie sagte nichts.
» Und außerdem… Wenn es wirklich so ist, wie du sagst, ist das doch nicht meine Schuld. Ich tue alles, um ihn in die Geschäfte und Entscheidungen einzubinden. « Er senkte die Stimme. » Ihm ist das einfach alles egal. «
» Bist du dir sicher, dass es ihm egal ist? «
» Weiß ich nicht. Ich stelle nur fest, dass er, wenn es um wichtige Entscheidungen geht, jedes Mal einen Rückzieher macht. Mir ist das schleierhaft, wenn ich ehrlich sein soll. Weißt du, warum er sich so verhält? « Paulão wurde langsam ungeduldig.
» Ich weiß es auch nicht, Paulo. Ich war nur der Meinung, dass er in einer Situation wie dieser nicht fehlen darf. «
» Warum? Ist dir klar, wie oft er nicht hätte fehlen dürfen und trotzdem nicht da war? «
Elisabetta dachte sich ihren Teil, wollte ihrem Mann aber auch nicht zu nahe treten. Seine Anspannung dürfte schon so groß genug sein.
Paulo war bereits in Richtung Haus aufgebrochen, als er noch hinzufügte: » Und wenn das Problem darin besteht, dass du ihn zu selten siehst, dann solltest du dich vielleicht häufiger von diesem Paradies trennen und mal nachschauen, wie es in der wirklichen Welt mittlerweile zugeht. «
Ihre Gesichtsmuskeln verkrampften sich, und ihre
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