Durst: Thriller (German Edition)
entschieden anders als auf den Fotos, die er gesehen hatte. Er erinnerte sich an eine mürrische, magere Gestalt mit harten Gesichtszügen, das typisch europäische Mannweib, wie man ihm in der Geschäftswelt so oft begegnete: das Gesicht von den Nächten in der Business-Class gezeichnet, die Hände gepflegt, aber hochnervös, die Erscheinung von tadellosem kalten Schick.
Die Frau, die er jetzt vor sich hatte, wirkte eher wie ein ehemaliger Hippie, der die strenge Eleganz für sich entdeckt hat. Ihre Haut war rosig und strahlte einen beinahe goldenen Glanz aus. Agata Knoll reichte allen die Hand, nahm den Kaffee mit einem liebenswürdigen Dank entgegen und biss in ein Croissant.
Ihre Assistentin, eine kleine, rundliche, etwa fünfunddreißigjährige Asiatin, nahm Platz und schenkte sich ein Glas Orangensaft ein. Sie hieß Ping Xiong und sprach Englisch mit einem perfekten britischen Akzent, obwohl es nicht ihre Muttersprache war. Auch Agata Knolls Muttersprache war nicht Englisch, aber Paulão hatte keine Ahnung, welche es sonst sein könnte.
Als alle am Tisch saßen, ergriff Agata Knoll das Wort. » Zunächst einmal möchte ich mich im Namen des Drachen entschuldigen, aber eine unaufschiebbare Verpflichtung hat ihn in Neu-Delhi aufgehalten. «
Johannsen zog eine Augenbraue hoch und warf Netto einen schnellen Blick zu.
» Er hat mich gebeten, Ihnen seine besten Grüße zu übermitteln, und wünscht uns allen einen erfolgreichen Abschluss « , fügte sie hinzu.
» Es ist wirklich bedauerlich, dass der Drache nicht bei uns sein kann « , begann Paulo Johannsen seinerseits. » In einer solchen Angelegenheit hätte ich es vorgezogen, ihm persönlich gegenüberzusitzen. Nichts für ungut, was die Anwesenden betrifft. «
Ping Xiong, die Assistentin, schaute schweigend unter ihrem Pony hervor. Er war von einem so intensiven Schwarz, als wäre er aus Vinyl.
Agata Knoll lächelte. » Darf ich Paulo zu Ihnen sagen? «
» Natürlich, ich bitte darum. «
» Paulo, eines möchte ich doch klarstellen. Wenn ich mich mit einer Sache befasse, dann ist es für Sie als Geschäftspartner genauso gut, als würde der Drache es persönlich tun. «
» Das glaube ich gern. Darf ich Agata zu Ihnen sagen? «
Sie lächelte sanft. Es war eines der rätselhaftesten Lächeln, die Paulo Johannsen je gesehen hatte. » Selbstverständlich. «
» Das hat nichts mit Misstrauen zu tun, Agata. Es ist eher eine Frage der– wie soll ich sagen– menschlichen Note. Verstehen Sie, was ich meine? «
» Natürlich. Aber genüge ich Ihnen denn nicht, was die menschliche Note betrifft? «
Im Raum erhob sich ein leises, fast elektrisiertes Gelächter.
» Okay, wollen wir anfangen? « Agata ließ den Blick über die Anwesenden schweifen.
Antônio Netto begriff, dass die Reihe an ihm war. Er räusperte sich und öffnete eine dunkle Ledermappe.
» Dies sind die Dokumente der neuen brasilianischen Gesellschaft, deren Mehrheitseigner Sie sind. Es handelt sich um die Been International mit Sitz in São Paulo und einem Gesellschaftskapital von zwanzig Millionen Reais. «
Wie eine Schildkröte, die den Kopf zum Panzer hinausschob, streckte Ping Xiong eine lange weiße Hand aus und nahm die Dokumente an sich.
» Durch diese neue Gesellschaft werden Sie Brasilianer. Das bedeutet, dass Sie in Brasilien Geschäfte jeglicher Art in jeglicher Höhe tätigen können, angefangen von Finanzinvestitionen bis hin zu Beteiligungen. Ohne diese Gesellschaft wären Sie nicht dazu berechtigt. Es ist von Gesetzes wegen verboten. «
» Und da fragen die sich noch, warum Brasilien nicht Indien ist « , sagte Agata, aber sie schien eher mit sich selbst zu sprechen. Sie stützte die Ellbogen auf den Tisch und verschränkte die Finger. Am Mittelfinger der linken Hand trug sie einen Weißgoldring mit einem spinnenförmig geschliffenen Smaragd.
» Das wäre dann also die Gesellschaft, die für den Blind Narcissus verantwortlich zeichnet? «
» Genau « , antwortete Netto. » Der Blind Narcissus wird ein Kind der Been sein. Die Been, die ihr Kapital von Unternehmen verschiedener Staaten erhält, kann im Ausland operieren und wird Ihr Einfallstor nach Brasilien sein. «
» Und Sie gelangen über die Been International an frisches Kapital, das von uns eingebracht wird « , ergänzte Agata Knoll.
Netto nickte. » Dann scheint ja alles klar zu sein. «
» Richtig. Lassen Sie uns also über Geld sprechen. Über welche Summe sprechen wir? «
Agata hatte das wie eine Frage
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