Durst: Thriller (German Edition)
Weg gefunden, mich hochzuschleichen. Mich beachten die Wachen gar nicht, weil ich ein Kind wie alle anderen zu sein scheine, eine Tochter der Reichen aus der ersten Klasse. Ich habe eine Treppe entdeckt, die von den Kabinen der dritten Klasse hierher führt, und die steige ich jeden Morgen hoch. Und da ist es, das Land! Gestern haben wir es zum ersten Mal gesehen. Viele Passagiere standen an Deck, sie sprangen vor Freude in die Höhe. Dann kam ein weiß gekleideter, sehr eleganter Offizier und verkündete feierlich, das sei Brasilien. Das große Brasilien, sagte er, und er schien stolz zu sein. Vielleicht war er aber auch einfach nur glücklich, nach so vielen Tagen auf See. Wir können es noch nicht sehen, aber in diesem Nebel muss ein dunkles Pünktchen sein, Bruno, nicht größer als ein Sandkorn, und das ist Santos. Dorthin sind wir unterwegs. Du kannst es noch nicht sehen, und ich auch nicht. Alle haben es versucht. Eine dicke Dame mit einem komischen Hut hat mich sogar hochgehoben, aber wir konnten es nicht sehen. Aber das da, Bruno, dieser Strich da, der fast wie Nebel aussieht, das ist das Land. Das Land… ‹ Dann war seine Urgroßmutter gestorben. Die Hand hatte sein Handgelenk nicht losgelassen. Wie die eiserne Reling hatte sie es umklammert.
An der Tür war ein leises Klopfen zu hören.
» Bruno, das Abendessen ist serviert. « Mário Ono hatte die Tür zum Armeezimmer geöffnet, eine dunkle Silhouette, die übliche warme Stimme.
» Danke, Mário. Ich bin in fünf Minuten da. «
Bruno stellte den Plutarch ins Regal zurück. Dann ging er zu einem Schubladenfach im Regal gegenüber. Die Schubladen verschwanden hinter zwei weißen Türen.
Er öffnete sie und zog die zweite Schublade heraus. Ein paar Handys lagen darin. Er nahm ein älteres, längst überholtes Modell. Das schaltete er an, tippte den PIN -Code ein und wählte eine Nummer.
Er legte das Handy ans Ohr.
Es klingelte.
Als Diego Messer den zweiten Jack Daniels zum Mund führte, hörte er plötzlich klassische Musik dudeln, ein berühmtes Thema. Er schaute sich um und merkte, dass die Musik aus Davide Strazzons Jackentasche kam. Der saß vor ihm, aber sein Motorola lag auf dem Tischchen bei den Sofas.
» Was ist das denn? «
Davide, der in eine Art Starre gefallen war, schreckte nun hoch. » Das ist mein Handy. «
» Wie viele hast du denn? «
» Entschuldige mich bitte einen Augenblick. « Strazzon war schon aufgesprungen, eilte ein paar Schritte auf den Ausgang zu und nahm das Gespräch dann an.
» Herr Kommandant, ich grüße Sie. «
» Hallo, Davide. Ich grüße dich. «
» Gibt es Nachrichten, Herr Kommandant? «
» Ja. Der Soldat, der die Aktion ausgeführt hat, ist berechenbar. Ich traue ihm nicht. «
Strazzon erstarrte. Er schlug die Hand vor den Mund. Hektisch suchte er nach Worten, fand aber keines, das es ihm erlauben würde, diese unerwartete Situation zu meistern.
Ein Versuch. » Welche Prüfung hat der Soldat denn nicht bestanden? «
» Eine sehr einfache, Davide. Nachdem er das Geld bekommen hat, ist er raus und hat alles ausgegeben. Der schlichteste aller Impulse, der erwartbarste. «
Davide schluckte. » Was sollen wir also tun, Herr Kommandant? «
» Ganz einfach, Davide, das weißt du doch. «
Widerspruch zwecklos. Das Gespräch war zu Ende, das wusste er.
» Ich wünsche dir einen schönen Tag, Davide. «
» Das wünsche ich Ihnen auch, Herr Kommandant. «
12
Paulo Henrique Johannsen vernahm das Urteil des Obersten Gerichtshofs, als er an Bord des Agusta mit dem schwarzen Wappen MJ auf den cremefarbenen Türen vom Wolkenkratzer seines Unternehmens abhob.
Der Pilot, der selbstverständlich Uniform trug, hatte die Nase des Hubschraubers bereits nach Osten gewendet, in Richtung Ilhabela. Auch der unvermeidliche Antônio Netto war an Bord. Der Anwalt war im letzten Moment herbeigeeilt und hatte die Nachricht überbracht.
» Wir haben gewonnen, sechs zu vier. Die Baustellen am Fluss werden bereits in den nächsten Tagen ihre Arbeit wieder aufnehmen. Das ist eine gute Nachricht, Doktor. «
» Wer hat sich denn eines Besseren besonnen? «
Antônio Netto lächelte. Warum stellte sein Chef diese Frage, wo er es doch nur zu gut wusste?
» Roberto Gilmar Filho « , antwortete er. » Und der Präsident des Obersten Gerichtshofs hat sich enthalten. «
» Aha. « Paulo Johannsen tat so, als wäre er überrascht. » Gut gemacht « , sagte er dann zufrieden. Er warf einen Blick auf die Stadt unter ihnen und
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