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Dustlands - Der Herzstein: Roman (German Edition)

Dustlands - Der Herzstein: Roman (German Edition)

Titel: Dustlands - Der Herzstein: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Moira Young
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ob er gewusst hätte, dass wir uns wiedersehen.
    Bis zum nächsten Mal.
    Nein. Denk nicht drüber nach. Ich atme ein paar Mal tief durch.
    Ich lehn immer noch am selben Baum. Muss irgendwie eingedöst sein, während Lugh vom Großen Wasser erzählt hat. Jetzt ist diese farblos-graue Zeit. Die Nacht geht zu Ende. Vielleicht zwei Stunden bis zum Morgengrauen. Über Nacht hat es sich kaum abgekühlt. Die Luft ist drückend.
    Sabaaaa. Saabaaaa.
    Das ist Eponas Stimme.
    Epona. Tot von meiner Hand.
    Saba. Saba.
    Da ist sie wieder. Nein, bitte, ich bin … so müde … ich träum noch. Das ist es, ich träum noch oder … vielleicht waren das auch wieder die Wolfshunde, die in der Ferne geheult haben.
    Dann.
    Eine Bewegung zwischen den Bäumen. Genau vor mir, auf der anderen Seite der Lichtung. Mein Herz verkrampft sich. Fängt an zu rasen. Ich zieh die Decke fest um mich.
    »Epona?«, flüstere ich. »Epona, bist du das?«
    Noch während ich das sag, noch während ich frag, weiß ich, die Antwort ist ja.
    Ich hätte getan, was am barmherzigsten war. Richtig. Das einzig Mögliche. Das haben sie alle gesagt. Bevor ich’s getan hab, und nachher auch. Jack und Ike und Ash. Wenn ich sie nicht getötet hätte, hätt’s einer von ihnen tun müssen. Jack hat gesagt, er würd’s tun. Er hat’s mir ersparen wollen. Aber ich hab gewusst, dass ich es tun muss. Sie ist nur wegen mir da gewesen. Um mir zu helfen, meinen Bruder zu finden.
    Epona töten. Meine Freundin töten. Ein schneller, sauberer Schuss mit der Armbrust. Oder sie Vikar Pinch und den Tonton überlassen. Männern, die keine Gnade kennen.
    Aber woher will ich wissen, dass ich sie getötet hab? Was, wenn sie nicht gleich tot gewesen ist? Was, wenn sie immer noch am Leben gewesen ist, als sie gestürzt ist? Was, wenn die Tonton sie den Sklavenarbeitern da übergeben haben, die völlig durchgedreht waren von zu viel Chaal? Die hätten sie in Stücke gerissen. Genau wie die Frauen, die ich in Hopetown besiegt hab. Die Frauen, die in den Spießrutenlauf gemusst haben.
    Sabaaaa. Saba. Saba.
    Meine Hände zittern. Ich nehm Armbrust und Köcher. Steh auf. Nero schläft auf einem Ast über mir. Er wird sofort wach. Streckt Flügel und Beine.
    Noch eine Bewegung. Da ist irgendwas, es huscht zwischen den Bäumen durch, aber ich kann nicht richtig … es scheint sich zu verändern, bewegt sich irgendwie wie … Rauch oder Nebel. Grau, aber dunkler als das Licht jetzt vor dem Morgengrauen, an den Rändern verschwommen. Ich geh über die Lichtung und späh ins Halbdunkel.
    Saba.
    Ihre Stimme ist ein Seufzer, ein Murmeln, sie schwebt um mich rum. Fährt mir durch die Haare, streicht mir über die Wange. Lockt mich weiter, zwischen die Bäume, Schritt für Schritt für Schritt.
    Nero flitzt voraus. Eine schwarze Gestalt, die von Ast zu Ast saust. Ein Schatten, der einen Schatten jagt. Anscheinend sieht er ihn auch. Diesen … Schatten meiner Freundin. Wir folgen ihr jetzt, schlängeln und winden uns zwischen den Bäumen durch wie bei einem Spiel: Jag das Gespenst.
    Dann sind wir raus aus dem Wald. Wieder auf offenem Gelände. Und sie ist weg. Epona ist weg. Aber sie ist hier gewesen. Wirklich. Hier.
    »Epona«, sag ich. »Komm zurück. Bitte.«
    Die Hügel des Ödlands warten, hocken dunkel vor dem Horizont. Die verblassenden Sterne gucken zu. Hören zu.
    Nichts.
    Nichts.
    Ich schling die Arme um den Körper, ich zitter. Besser ich geh zurück ins Lager, bevor sie mich vermissen.
    Ich dreh mich um.
    Und da ist sie. Steht genau vor mir. Neben ihr steht Tracker.
    Es ist Epona. Aber nicht, wie sie gewesen ist. Lebendig hat sie gestrahlt und geleuchtet. Ihre nussbraune Haut, ihre Augen, ihre Haare. So stark und lebendig, man hätte schwören können, dass die Erde selbst sie geboren hat.
    Jetzt ist sie ein Kind der Lüfte. Dunst und Nebel. Sie treibt dahin. Verdichtet sich. Verblasst wieder.
    »Epona«, sag ich.
    Sabaaaa
, flüstert die Luft.
    »Sag mir, was du willst.«
    Tracker winselt.
    Plötzlich fühl ich es. Das Gewicht von meiner Armbrust. Ich halt sie in der Hand.
    Eine Armbrust hilft, einen zu ernähren. Sie hilft einem, sich und seine Lieben zu verteidigen. Eine Armbrust bedeutet größere Überlebenschancen. Aber sie nimmt Leben. Nicht nur Tieren. Auch Menschen.
    Freunden.
    Wie Epona.
    Ich halt die Armbrust, die sie getötet hat, in der Hand.
    Ich denk nicht lang nach. Mit einer einzigen schnellen Bewegung zerbrech ich sie überm Knie. Die Trümmer fallen zu Boden. Der

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