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Dustlands - Der Herzstein: Roman (German Edition)

Dustlands - Der Herzstein: Roman (German Edition)

Titel: Dustlands - Der Herzstein: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Moira Young
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anfangen, die Pferde zu beladen, sagt keiner ein Wort. Es herrscht dicke Luft. Zum Schneiden dick. Lugh ist fuchsteufelswild über irgendwas. Tommo hält den Kopf gesenkt, bleibt in Deckung. Emmi sieht mich mit aufgerissenen Augen an.
Was ist mit Lugh los?
    »Also, Saba«, sagt er, »wo ist deine Armbrust?« Er lässt seine Stimme beiläufig klingen. Das ist es also. Er weiß es. Über Hermes’ Rücken weg guck ich Emmi an. Ein kaum merkliches Kopfschütteln. Sie hat nichts erzählt. Ich frag mich, was er weiß. Ich beschließ, so wenig wie möglich zu erzählen.
    »Sie ist kaputt.«
    »Ach was!«, sagt er.
    Ich beschäftige mich damit, Hermes’ Gebiss zurechtzurücken. »Ich muss wieder geschlafwandelt haben«, sag ich. »Muss hingefallen sein und sie zerbrochen haben.«
    »Emmi?«, fragt er. »Hast du was dazu zu sagen?«
    Sie wird knallrot. »Nein.«
    »Tja, versuch’s mal damit: Saba hat ihre Armbrust mit Absicht zerbrochen. Und du hast die Trümmer in einem Stein versteckt. Und dann habt ihr beide beschlossen, das vor mir geheim zu halten. Wie wär’s damit?«
    »Schon gut«, sag ich. »Du bist uns hinterhergegangen und hast alles gesehen. Lass gut sein, ja?«
    »Nein, ich lass es nicht gut sein. Du hast deine gottverdammte Armbrust zerbrochen, Saba. Hast du geschlafwandelt? Und lüg mich nicht an.«
    »Ich hab geschlafwandelt«, lüg ich.
    »Du lügst«, sagt er. »Ich weiß immer, wann du lügst. Warum hast du das getan? Warum bloß?«
    Ich sag nichts.
    »Steh nicht einfach da rum«, brüllt er, »sag’s mir, verdammt nochmal! Warum hast du deine gottverdammte Armbrust zerbrochen?«
    Die Pferde scheuen und wiehern. Lugh guckt mich an, das Gesicht angespannt vor Sorge und … noch was. Angst. Ich kann ihm nicht noch mehr aufbürden. Und wenn ich ihm von Epona erzähl, denkt er, ich bin verrückt. Bin ich nicht. Ich bin nicht verrückt. Sie ist da gewesen.
    »Ich hab geschlafwandelt.«
    »Ich versuch doch bloß, uns alle zusammenzuhalten«, sagt er, »dafür zu sorgen, dass wir ein besseres Leben bekommen als mit Pa, aber du denkst anscheinend nur an dich selbst oder … was weiß ich, was in deinem Kopf vorgeht, ich hab keine Ahnung, was du denkst. Ich hab das Gefühl, ich kenn dich nicht mehr.« Er schüttelt den Kopf. »Na gut. Egal. Was kümmert’s mich, ist ja nicht so, als hättest du das verdammte Ding benutzt. Ist ja nicht so, als würden Tommo und ich nicht sowieso allein jagen.«
    Wir steigen auf. Nero kommt angesegelt und landet auf meiner Schulter.
    »Du wirst immer mehr wie Pa«, sagt Lugh.
    »Wie meinst du das?«
    Er gibt Buck die Fersen und drängt sich an mir vorbei. Tommo reitet gleich hinter ihm. Em guckt mich kurz an, ihr Gesicht sieht aus wie das von einer besorgten alten Frau. Dann reitet sie hastig hinter ihnen her.
    Dann sind nur noch Nero und Hermes und ich da.
    Ich. Immer mehr wie Pa. Vom Aussehen her komm ich nach ihm – schwarze Haare, braune Augen –, aber das hat Lugh nicht gemeint. Nein. Was er meint, ist, ich werd verrückt. Genau wie Pa. Wie unser unverbesserlicher, hilfloser Vater, den der Tod um den Verstand gebracht hat. Der Tod von Ma, die ihren letzten Atemzug getan hat, als Emmi ihren ersten getan hat. Danach ist Pa eine kaputte Seele mit einem kaputten Geist gewesen. Mit der Zeit ist es immer schlimmer geworden mit ihm.
    Ich bin nicht wie Pa. Überhaupt nicht.
    Bitte.
    Lass mich nicht sein wie Pa.

    I rgendwas folgt mir. Irgendwas oder … irgendjemand. Es ist schon fast den ganzen Tag da. Jetzt ist es mitten am Nachmittag.
    Ich könnte mich umdrehen und nachgucken. Als wenn ich das nur einmal getan hätte … ich hab’s schon hundert Mal getan. Dieses Gefühl, dass da jemand ist … deswegen guck ich mich immer wieder um. Aber nie seh ich was, nur den Weg, der hinter uns liegt.
    Trotzdem. Da ist dieses Drückende in der Luft hinter mir. Als wenn sich da was festgesetzt hätte. Als wenn da was Raum beanspruchen würde.
    Ich spür’s im Nacken. Meine Haut kribbelt davon. Ich weiß, es ist da. Ich kann’s nur nicht sehen.
    Jedenfalls noch nicht.

    J etzt hör ich Hufschläge. Den dumpfen Aufprall von Hufen auf hartem Boden. Da ist ein Pferd hinter mir. Das Pferd hat’s nicht eilig. Es hält Schritt. Leistet mir Gesellschaft.
    Ein Schauder läuft mir übern Rücken. Meine Hände sind so kalt. Obwohl heute so ein Tag ist, an dem die Welt vor Hitze weiß schimmert. Ich zieh mein Shemag tiefer ins Gesicht.
    Ich muss einfach nachgucken.
    Mit angehaltenem Atem

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