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Dustlands - Der Herzstein: Roman (German Edition)

Dustlands - Der Herzstein: Roman (German Edition)

Titel: Dustlands - Der Herzstein: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Moira Young
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kurze Satzbrocken aus.
    »Die Toten, die Toten wandeln in deinen Fußstapfen. Ich seh sie. Überall um dich rum. Ich seh sie. So viele. In dir drin. Der Schatten. Er erhebt sich. Er ist stark in dir. Er wird dich nehmen, wird dich besitzen, Verstand und Körper … Verstand und Geist, er wird dich nehmen, wird dich besitzen, wird dich besitzen, wird –«
    »Hilf mir«, flüster ich. »Bitte.« Da taumelt sie. Ich fang sie in meinen Armen auf. Ihr Körper zittert jetzt unbeherrscht. Ihre Augäpfel verdrehen sich. Dann wird sie in meinen Armen schlaff.

    I ch bin auf den Knien und halt sie in den Armen. Sie ist so leicht wie ein Kind. Kurz hab ich Angst, dass die wilde Macht, die durch ihren Körper gefahren ist, sie getötet hat. Ich fühl ihr den Puls am Hals. Sie lebt.
    Der Junge kniet schon neben mir. Hilft mir, sie auf den Boden zu legen.
    »Dreh sie auf die Seite«, sagt er zu mir. Er schiebt dem Mädchen einen schmuddeligen Finger in den Mund und befreit ihre Zunge. Dann steckt er ihr ein schmutziges Tuch in den Mund. Anscheinend weiß er, was er da tut. »Hilf mir, sie hochzuheben«, sagt er. »Bring sie ins Zelt.«
    Ich werf einen Blick zu Lugh, Tommo und Emmi. Ihre Hände sind noch gefesselt. Sie sind angespannt. Haben die Augen aufgerissen. Die ganze Menschenmenge guckt zu. Das ist vielleicht meine einzige Gelegenheit.
    »Sag ihnen, sie sollen meine Freunde gehen lassen«, sag ich.
    Sein listiges Gesicht verhärtet sich. »Das kostet dich was.«
    Die rote Hitze erwacht. Ich pack ihn. Ruckartig verdreh ich den Kragen von seinem Hemd, drück ihm die Luft ab. »Ich bin der Todesengel, kleiner Mann.«
    Nero flattert um uns rum und kreischt. Der Junge versucht, mich zu kratzen; seine Augen stehen vor vor lauter Angst. Ich lass los. Er fällt auf den Rücken, schnappt nach Luft, dann brüllt er den Männern, die Lugh und die anderen festhalten, zu: »Lasst sie frei! Sie will mit allen sprechen! Sofort!«
    Hastig nehmen sie Emmi, Tommo und Lugh die Fesseln ab.
    Der Wind heult weiter. Der Donner grollt. Aber das Unwetter zieht ab, fegt westwärts durchs Flusstal, man sieht die Blitze zu Boden peitschen.
    Ich guck mir die Leute an. Die, die uns gerade eben noch totschlagen wollten. Die Worte der Himmelssprecherin haben Macht über diese Leute. Einer nach dem anderen gehen sie, verschwinden hinter einem Regenschleier. Ein, zwei von ihnen halten ihre Talismänner in meine Richtung. Aus meinen Haaren tropft Wasser. Ich zittere. Lugh und Tommo krabbeln auf die Bühne. Tommo hilft Emmi hoch.
    Wir heben das Mädchen auf. Lugh und Em nehmen ihre Beine, Tommo und ich ihre Arme. Eigentlich müssen wir gar nicht alle mittragen, sie ist ja so leicht. Als wir die Treppe runter gehen, der Junge voran, murrt Lugh: »Und was jetzt?«
    »Jetzt fragen wir die Himmelssprecherin um Rat«, sagt Emmi.

    D as Zelt liegt im Halbdunkel. Der Junge zündet hastig die großen Lampen an, und wir legen das Mädchen auf einen Schlafplatz an der Feuerstelle. Der Junge schürt das mit Asche abgedeckte Feuer, um es wieder in Gang zu bringen. Ich guck ihn streng an, und er kann gar nicht schnell genug abhauen. Nachdem er aus dem Zelt gesaust ist, bin ich mit einem Mal völlig erledigt. Meine Beine geben nach, und Tommo hilft mir auf einen Schemel. Nero hockt auf einer Truhe und macht sich dran, sein feuchtes Gefieder in Ordnung zu bringen.
    Em bemuttert die Himmelssprecherin, nimmt ihr sanft den schmutzigen Stofffetzen aus dem Mund. Dann will sie ihr die kleine Trommel abnehmen, die an ihrer Taille hängt.
    »Rühr die nicht an«, sagt das Mädchen hastig.
    Em reißt die Hände weg, als ob sie sich verbrannt hätte.
    »Die Trommel eines Schamanen darfst du niemals berühren«, erklärt ihr die Himmelssprecherin. »Wo ist Zek?«
    »Der Rotzlöffel?«, fragt Lugh. »Der ist weg.«
    »Er geht mir zur Hand«, sagt sie. »Würdest du mir helfen, mich aufzusetzen?«
    Ihre Stimme ist hell. Kühl. Ein Bergbach nach einem langen Ritt. Eine Brise im Morgengrauen, bevor die Hitze den Tag in die Mangel nimmt.
    Emmi hilft ihr, sich aufzusetzen. Das Mädchen zieht sich den Riemen mit der Trommel über den Kopf und legt sie auf einen kleinen Tisch neben sich. Em legt ihr eine Decke um die schmalen Schultern. Neben dem Feuer steht ein Eimer mit Wasser. Lugh füllt den Schöpflöffel und gibt ihr zu trinken.
    »Vielen Dank«, sagt sie. »Ich heiße Auriel Tai.«
    Hier in der Gewöhnlichkeit und Enge ihres schäbigen kleinen Zelts sieht sie sogar noch seltsamer

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