Dustlands - Der Herzstein: Roman (German Edition)
Stein. Glas. Gebein. Das regelmäßige Poch, Poch, Poch von bösem Blut verpestet die Luft.
Wir drehen uns wieder um. Mein Mund ist ausgetrocknet.
»Nicht stehen bleiben«, sagt Lugh.
Wir reiten weiter. Sie folgen uns. Sie halten Abstand, nehmen sich vor Tracker in Acht.
Der Wind frischt auf. Der Himmel verdunkelt sich. Das Unwetter von Osten her ist fast über uns. Donner grollt drohend. Blitze gabeln sich in der Ferne.
Dann treten vor uns noch mehr Leute auf den Weg. Verstellen uns den Weg. Sie sind mit Holz und Stein bewaffnet. Glas und Gebein. Poch, poch, poch. Ein paar halten komische Sachen hoch. Stöcke, die zu Dreiecken zusammengebunden sind. Ein Püppchen aus Leder und Perlen.
»Was ist das?«, fragt Emmi.
»Talismänner«, sagt Lugh, »um sie vor dem Bösen zu schützen.« Er packt meine Zügel und lässt Hermes dicht neben Buck anhalten.
»Was für Böses?« Emmis Stimme klingt schrill vor Angst.
»Sie haben Angst vor Saba«, sagt er. »Ich hab gewusst, dass das ein Fehler ist. Lasst uns abhauen.«
»Können wir nicht«, sagt Tommo.
Vor uns, hinter uns, sie haben uns den Weg verstellt. Zu beiden Seiten steht eine Mauer aus Unterkünften.
Das hässliche Pochen umschließt mich. Hält mich gefangen. Und ich zittere. Ich zittere am ganzen Körper. Ich bin wieder in Hopetown. Wieder im Käfig.
Der Boden bebt. Die Leute stampfen mit den Füßen. Sie schreien nach dem Blut des besiegten Kämpfers.
»Spießrutenlauf! Spießrutenlauf! Spießrutenlauf!«
»Ich lass nicht zu, dass sie dir weh tun«, sagt Lugh.
Nero kreischt und stößt auf die Leute runter.
Und die ganze Zeit über kommt das Unwetter näher. Der Wind heult. Der rote Staub wird aufgewirbelt. Unsere Pferde mögen das nicht. Den Lärm der Menschenmenge. Den aufziehenden Sturm. Sie werfen die Köpfe hoch. Sie wiehern. Sie tänzeln. Sind nur schwer zu bändigen. Tracker schießt auf die Leute vor uns zu und schnappt nach ihnen.
Ein scharfer Stein fliegt durch die Luft und trifft Lugh an der Schulter. Er schreit auf. Lässt meine Zügel los. Plötzlich werden Hände nach uns ausgestreckt. Sie zerren an meinem Bein, versuchen, mich von Hermes runterzuziehen. Ich tret um mich.
»Lugh!«, schreit Emmi.
Er packt meinen Arm. Die Pferde drehen durch. Noch mehr Hände zerren an mir. Ich tret wie wild um mich. Emmi brüllt. Tommo reißt jemand einen Stock aus der Hand und fängt an, sie auf die Köpfe zu hauen. Tracker knurrt und schnappt nach den Leuten. Jemand schreit.
Bumm! Donner zerreißt die Luft. Die Leute stehen still. Weichen zurück. Das böse Blut hört auf zu pochen. Alle gucken zum Himmel. Als ob ihnen erst jetzt auffällt, dass das Wetter sich ändert.
Wolkenberge wälzen sich auf uns zu. Schnell. Düster. Ihre Blitzfinger bohren sich in die Erde. Jemand ruft: »Die Himmelssprecherin. Sie kommt raus! Schnell!«
Eine Frau schreit: »Bringt sie zur Himmelssprecherin! Sie weiß bestimmt, was zu tun ist!«
Noch mehr Hände greifen nach mir. Ich werd von Hermes runtergezogen. Ich wehr mich und kämpf, aber vier Männer packen mich – zwei an jedem Arm – und zerren mich durchs Lager. Zwei Frauen laufen neben uns und halten Talismänner hoch.
»Lugh!«, schrei ich. »Lugh!«
Ich winde mich und guck mich um. Ich seh noch, wie die anderen auch von ihren Pferden gezerrt werden. Emmi, Tommo und Lugh.
Die Leute haben ihre Stöcke und Steine fallen gelassen. Sie drängeln sich aneinander vorbei und nehmen die kleinsten Kinder auf die Arme. Alle stürzen in dieselbe Richtung. Zum oberen Ende vom Lager.
Wir kommen auf ein offenes Gelände am Flussufer, hinter den Unterkünften. Da steht eine kleine, grob gehauene Holzbühne. Sie ist etwa eins zwanzig hoch und hat links eine Treppe, außerdem ein grobes Lattendach, aber keine Wände. Ein paar Schritte links von der Bühne steht ein zerlumptes Zelt. Donner grollt. Blitze gabeln sich in der Ferne. Der Wind reißt an den Kleidern und Haaren der Leute, bauscht das Zelt.
Jetzt knien sich alle mit dem Gesicht zur Bühne hin. Bringen sich gegenseitig zum Schweigen. Ihre zappligen Kinder auch. Der Sturm wird über sie reinbrechen, hier draußen, obwohl sie drinnen sicherer wären. Aber das schert sie anscheinend nicht.
Die Männer zerren mich vor die Menge. Mit einem ihrer Gürtel binden sie mir die Hände. Treten mir von hinten gegen die Beine. Ich lande hart auf den Knien. Ich versuch, den Kopf zu drehen, mich nach Lugh umzugucken, aber einer packt mich an den Haaren und reißt meinen
Weitere Kostenlose Bücher