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Dustlands - Der Herzstein: Roman (German Edition)

Dustlands - Der Herzstein: Roman (German Edition)

Titel: Dustlands - Der Herzstein: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Moira Young
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mehr eilig, das ist mal sicher.
    Manche haben die Hände auf die Knie gelegt. Ein paar von den größeren halten kleinere an den Händen. Halb rechne ich damit, dass sie die Köpfe drehen und mich angucken mit ihren leeren Augenhöhlen. Nero hüpft von Schädel zu Schädel, manchmal bleibt er sitzen und steckt den Schnabel in irgendein unsägliches Loch. Tracker duckt sich neben mir, klebt an mir wie eine Klette. Er guckt nervös zu mir hoch und winselt, bis ich den Finger an die Lippen leg, damit er still ist.
    Der Inhalt des Kessels blubbert heftig. Von dem Gestank dreht sich mir fast der Magen um. Ich kletter auf die Bühne, um nachzugucken.
    Der obere Rand des Kessels ist so hoch, dass ich nicht reingucken kann. Ganz in der Nähe liegt ein langer Stab am Boden. An einem Ende ist mit einer Schnur aus Darm ein Blecheimer festgebunden. Ein Schöpflöffel. Ich nehm den Stab, tunk ihn in den Kessel und fisch drin rum. Plötzlich wird der Stab schwer. Ich hab was. Ich hol den Schöpflöffel raus und lass den Stab durch meine Hände gleiten, bis der Eimer bei mir ankommt. Jetzt muss ich würgen von dem Gestank.
    Ich guck in den Eimer. Schaumiges Wasser. Mit klumpigen weißen Stückchen drin. Irgendwas Großes taucht auf. Dreht sich. Träge. Lässig. Ein Gesicht guckt mich an. Ein menschliches Gesicht.
    »Aaaahh!« Ich lass den Stab fallen und taumel rückwärts. Der Kopf schwimmt aus dem Eimer und landet vor meinen Füßen. Ich spring zur Seite, stolpere, ziel unwillkürlich mit dem Bogen drauf. Auf diesen … diesen Albtraum, der mal ein Mensch gewesen ist. Meine Hände zittern.
    Keine Nase. Keine Augen. Keine Lippen. Ein Ohr mit einem Silberreifen dran. Ein Fleck mit langen, dichten schwarzen Haaren. Das Fleisch zum Teil bis auf die Knochen weggekocht. Die Haut, die noch übrig ist, sieht aus wie bei einem aufgeblähten toten Fisch, sie fällt in wässrigen Fetzen vom Schädel ab.
    Tracker bellt wie verrückt.
    Irgendwas Schwarzes stürzt sich auf mich. Ich schrei auf und duck mich. Es ist Nero. »Verdammt nochmal, Nero!«, zisch ich.
    Krächz, krächz fliegt er zur Schädelmauer vor mir. Hockt sich auf einen Schädel. Sie grinsen auf mich runter. Starren mich mit irrem Blick aus ihren leeren Augenhöhlen an.
    Ein Tempel voller Skelette. Käfige mit Knochen. Ein Kopf, der sauber gekocht wird. Eine Mauer aus Schädeltrophäen. Die alten Geschichten, von denen Auriel gesprochen hat. Geister und seltsame Tiere. Und Schädelsammler. Kopfjäger.
    Das Feuer. Es brennt heiß und lebhaft. Da kümmert sich jemand drum. Jemand, der nicht weit weggegangen ist und jeden Augenblick zurückkommen kann. Womöglich werd ich schon beobachtet. Ich nehm Hermes’ Zügel und lauf durch den Gang auf die Tür zu. Dreh den Kopf nach links und rechts, suche alles ab.
    Plötzlich geht in der Schädelmauer eine Tür auf. Jemand kommt rein.
    Blitzschnell muster ich ihn. Barfuß. Kahl. Von Kopf bis Fuß weiß angemalt, bis auf schwarze Schlitze um Augen und Mund. Er hat was Flatterndes aus Lumpenstreifen an. Verschrumpelte Kopfhäute hängen an seiner Taille, an einem Band um den Hals hängt ein Blasrohr. Mein Bogen ist oben. Ich ziel. Ich schieß.
    Im selben Augenblick, als ich ihn entdeck, entdeckt er mich auch. Er nimmt sein Blasrohr und bläst.
    Er ist schnell. Aber ich bin schneller. Ich duck mich. Der Pfeil schwirrt über meinen Kopf weg. Ich fühl den Luftzug in den Haaren. Aus dem Augenwinkel seh ich Hermes und Tracker durch die Tür in Sicherheit sausen. Mein Pfeil trifft. Mitten ins Herz. Perfekt. Er fliegt nach hinten. Kracht in die Schädelmauer und sackt auf dem Boden zusammen. Ein paar von den Schädeln purzeln auf ihn drauf, um ihn rum, und zerbrechen auf dem Steinboden.
    Dann. Als es wieder still wird, hör ich sie.
    Trommeln.
    Trommelschläge. Von Norden her. Sie kommen näher. Trommelschläge. Das kann nur eins bedeuten. Angst und Schmerzen und ein Platz in der Schädelmauer.
    Keine Gespenster. Nur allzu wirklich.
    »Nero!«, brüll ich.
    Ich dreh mich um und renn. So schnell ich kann, rase ich aus dem Tempel und weiter auf den Pfad. Ich renn schneller als je zuvor. Ich flieg regelrecht, meine Füße berühren kaum den Boden. Ich hör Hermes und Tracker ein gutes Stück vor mir durch den Wald poltern. Nero kreischt über den Baumwipfeln. Ich komm aus dem Wald und renn mit Volldampf auf den Geisterweg. Verdammt! Hermes und Tracker stürmen in die Richtung, aus der wir gekommen sind. Ich brüll ihnen hinterher, während ich nach

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