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Dustlands - Der Herzstein: Roman (German Edition)

Dustlands - Der Herzstein: Roman (German Edition)

Titel: Dustlands - Der Herzstein: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Moira Young
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sie hinsetzt. Dabei vergess ich, wie aufgeregt ich selbst bin. Im Nu sind wir wieder auf festem Boden. Wir haben es geschafft.
    Ich nehm ihm den Schal ab, wickel die Zügel um einen Baum in der Nähe und geh zurück, um Tracker zu holen. Der arme Kerl ist völlig verängstigt. Ich bind ihm eine Nesselschnur um den Hals. »Du bist zu groß, ich kann dich nicht tragen«, sag ich zu ihm. »Jetzt komm.«
    Ich zieh am Seil und schaff es, ihn auf die Brücke zu zerren. Dann zieh ich und red auf ihn ein, bis er auf dem Bauch weiterkriecht. Er winselt ununterbrochen. Schweiß läuft mir den Rücken runter, meine Achselhöhlen sind feucht. Nero hüpft das Geländer lang und krächzt aufmunternd.
    »Komm schon, Tracker. Guter Junge! So ist’s gut. Gleich haben wir’s geschafft.«
    Da hör ich ein Geräusch. So schwach, dass ich nicht sicher bin. Nein. Doch. Hufschläge in der Ferne. Sie kommen in unsere Richtung, von da, wo wir auch herkommen, und sie kommen schnell näher. Sehen kann ich sie noch nicht, nur den großen Wald. Das müssen die Kopfjäger sein. Sie haben die Leiche gefunden. Sie sind hinter mir her.
    »Mist.« Ich reck den Hals. Das Brückenseil ist mehrfach um die Pfeiler gewickelt. Es ist ziemlich dick. Hoffentlich nicht zu dick.
    Ich halt Nero Trackers Leine hin. Er nimmt sie in den Schnabel. »Hier«, sag ich, »hilf Tracker rüber.«
    Er hüpft das Geländer lang und führt Tracker über die Brücke.
    Ich renn vor auf die andere Seite. Zieh das Messer aus dem Stiefel und fang an, eins der Brückenseile durchzusägen, dicht am Pfeiler. Das Seil besteht aus Heckenkirschenranken, es ist holzig und zäh. Und zum Schutz vor Verwitterung ist es mit Harz bestrichen, deshalb komm ich nur schwer voran. Aber ich hack und säg und schwitz über dem Seil, als ob mein Leben davon abhängen würde. Was es ja auch tut. Das Seil fängt an auszufransen.
    Die Reiter kommen näher.
    »Komm schon, Tracker!«, schrei ich. »Na los, Nero, beeil dich!«
    Ich guck mich nach ihnen um. Sie haben drei Viertel der Brücke hinter sich. Tracker liegt immer noch auf dem Bauch, aber er rührt sich nicht mehr vom Fleck. Nero sitzt auf seinem Kopf und hält die Schnur im Schnabel.
    Ich hör nicht auf zu sägen. Ich kann nicht. Das Seil ist jetzt fast durchgeschnitten. »An deiner Stelle würd ich mich jetzt mal in Bewegung setzen!«, ruf ich. »Am besten sofort!«
    Fast durch. Fast –
    »Tracker!«, brüll ich. »Beweg deinen verdammten Arsch!«
    Ein lautes Knarren, und plötzlich sackt die Brücke ab.
    Nero fliegt hoch.
    Und Tracker springt. Er fliegt durch die Luft auf mich zu. Er schafft es ganz knapp.
    Kaum berühren seine Füße den Boden, da reißt das Seil durch. Die Brücke kippt. Ein paar Bretter purzeln in die Schlucht.
    Auf unserer Seite vom Yann Gap hängt die Brücke jetzt nur noch an einem Seil.
    Ich lauf rüber und fang an, das auch durchzusägen.
    Eine große Staubwolke kommt auf uns zu. Müssen verdammt viele sein. Die rote Hitze schießt durch meine Adern. Ich säg wie wild am Seil.
    »Aaaaaah!«, schrei ich, während ich auf das Seil einhacke. Der Schrei kommt von irgendwo tief in meinem Bauch. »Aaaaah!« Schweiß brennt mir in den Augen.
    Auf der anderen Seite der Schlucht wird auch gebrüllt. Ich hör Hufschläge. Schreie. Noch mehr Schreie.
    »Saba! Saba!«
    Jemand ruft meinen Namen. Meinen Namen? Aber –
    Ich hab’s durch. Das Seil reißt. Keuchend dreh ich mich um.
    Und seh gerade noch, wie die Brücke runterfällt und nur noch an den Pfeilern auf der anderen Seite baumelt. Unbrauchbar.
    Und ich seh vier Reiter auf der anderen Seite des Gap anhalten. Lugh. Maev. Tommo. Emmi.
    Mit weit aufgerissenen Augen. Völlig entgeistert.
    Und über dem Wald hinter ihnen seh ich eine zweite Staubwolke aufsteigen, die sich auch in unsere Richtung wälzt. Hör ganz schwach Trommelschläge.
    Staub. Trommelschläge. Die Kopfjäger. Sie kommen.

    Ü ber die Schlucht weg glotzen wir uns an. Dann:
    »Was hast du getan, verdammt nochmal?«, brüllt Lugh. »Bist du verrückt?«
    »Woher soll ich denn wissen, dass ihr so dicht hinter mir seid?« Mein Herz schlägt so wild, dass es fast durch meine Rippen bricht.
    »Jemand ist hinter uns her!«, sagt Emmi.
    »Kopfjäger!«, sag ich. »Die sind hinter mir her.«
    »Hinter dir?« Wütend starrt Lugh mich an, sein Gesicht ist rot vor Wut. »Und wer sitzt auf der falschen Seite von dieser gottverdammten Schlucht fest? Weißt du was? Genau das ist das Problem! Es ist immer wegen dir!

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