Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dustlands - Der Herzstein: Roman (German Edition)

Dustlands - Der Herzstein: Roman (German Edition)

Titel: Dustlands - Der Herzstein: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Moira Young
Vom Netzwerk:
Wir haben noch einen langen Ritt vor uns.
    Seine Hufe trommeln auf den Boden. Das Geräusch ist dumpf. Gedämpft. Irgendwo in der Ferne, weit, weit weg, hör ich Trommelschlagen, glaub ich. Oder doch nicht? Schwer zu sagen. Dann nichts mehr. Weg. In einem Land mit einem Herz aus Stein, wie dem hier, sieht man überall Gespenster. Der Geisterweg. Abwrackergeister. Reisende, die nie ankommen.
    Ich weiß jetzt alles über Gespenster. Ruhelose Geister. Sie machen mir keine Angst mehr. Ich greif nach dem Herzstein und denk … ich denk an Jack. Daran, wie’s sein wird, wenn ich ihn wiederseh. Wenn er mich festhält und ich ihn noch fester halte und der Herzstein auf meiner Haut brennt.
    Ich überleg, was wir sagen könnten. Er zu mir. Ich zu ihm. Ich bin kein sanftes Mädchen. Ich kenn keine sanften Worte.
    Sei bei mir, Jack. Das werd ich ihm sagen. Brenn mit mir. Leuchte mit mir.
    Nero fliegt voraus. Tracker rennt hinterher. Ich guck nach links und rechts. Ich bin wachsam. Entschlossen. Frei. Und zum ersten Mal seit langem kann ich atmen.
    Hier. Jetzt. Allein. Ohne Zeugen außer meinem eigenen Herz kann ich es sagen: Ohne Lugh kann ich atmen.
    Er erdrückt mich. Erstickt mich. Engt mich ein. Fesselt mich an sich mit seinen Sorgen und seiner Wut und seiner Angst.
    Wenn ich Jack gefunden hab, wenn wir alle zusammen sind, finde ich einen Weg, wie ich ihm helfen kann. Das muss ich. Ich schwör’s. Jack und ich, wir finden einen Weg, um Lugh zu helfen.
    Ich seh keine Geister auf dem Geisterweg. Aber irgendwas stimmt hier nicht. In der Luft liegt was Totes. Was Dumpfes. Diese Gegend ist weder das eine noch das andere. Nicht ganz lebendig, nicht ganz tot. Sie wartet. Wie der Augenblick zwischen Leben und Sterben.
    Wir kommen an einer langen Reihe verrosteter, auseinanderfallender Autos vorbei. Eins hinter dem anderen, immer so weiter, über drei Meilen lang. Schnauze an Hinterteil, alle mit der Schnauze nach Westen. Als ob sie alle zur selben Zeit an denselben Ort gewollt, aber aus irgendeinem Grund hier angehalten hätten.
    Pa hat immer von einem Auto erzählt, das der Wind mit vier Abwrackern drin ausgegraben hat, als er ein kleiner Junge gewesen ist. Sie haben immer noch ihre Haut gehabt, über den Knochen zusammengeschrumpft, wie bei vertrockneten Samenkapseln. Ich bin froh, dass in denen hier keine Toten sitzen. Der Geisterweg ist auch so unheimlich genug.
    Als die Nacht ihre Dunkelheit halb aufgebraucht hat, fängt das Land an, sich zu verändern. Jetzt entdeck ich breite, tiefe Spalten im Fels. Narben so groß wie Schluchten. Die Haut der Erde ist abgekratzt. Sie ist aufgeplatzt. Überall, meilenweit. Die Natur hat damit nichts zu tun gehabt. Das sind Menschen gewesen. Leute, die schon lange tot sind. Die Abwracker.
    Ich lass Hermes jetzt nur noch im Schritt gehen. Im bleichen kalten Mondlicht guck ich mir ihr brutales Werk an. Ihren Hass auf die Erde. Die Wracks ihrer großen Maschinen. Die Skelette ihrer Häuser. Die umgefallenen Schornsteine. Die wirren Haufen aus Eisen und anderem Metall. Alles verrostet. Alles still.
    Hier wachsen keine Bäume. Kein Moos. Anders als an den meisten Abwrackerorten, wo alles zugewachsen ist, versteckt von der Zeit, den zahllosen Jahren, von Erde und Gras, Büschen und Bäumen, wo die Erde sich zurückholt, was tot und vergangen ist. Aber hier lebt nichts. Nur Feuer. Schmale Flüsse, kleine Seen aus Feuer. Überall, wo Wasser ist, brennt es. Matt und hässlich. Langsam und dickflüssig. Es rinnt und wälzt sich, schwarz und rot. Wie vergiftetes Blut, das aus einer tödlichen Wunde sickert.
    Der aufgerissene Boden seufzt Dampfwolken.
    Falls auf dem Geisterweg ruhelose Geister unterwegs sind, dann sind es keine Abwracker. Es sind Naturgeister. Die Geister von Erde und Wasser. Von Luft und Pflanzen und Tieren. Und die haben jedes Recht darauf, sich an den Menschen zu rächen.
    Nein, Abwrackerseelen streifen nicht über diese Straße. Diese Gegend, diese Hölle ist ihr Zuhause. Sie sind in ihren Feuerflüssen gefangen. Müssen für immer und ewig darin ertrinken. Werden nie, niemals erlöst. Ihre Stimmen flackern in den Flammen. Habt Mitleid, verzeiht mir, habt Mitleid mit mir. Gefangene ihrer eigenen Zerstörung. Gefangen bis ans Ende aller Zeiten.
    Ich hör sie rufen. Ich antworte nicht. Ich wende das Gesicht ab von dem ermordeten Land.

    W ir kommen in freundlicheres Land. Der steinige Pfad geht stellenweise in Erde über. Es gibt spärliche Kiefernwäldchen und Hügel. Bis jetzt hab

Weitere Kostenlose Bücher