Dustlands - Der Herzstein: Roman (German Edition)
Wagen, der nur von Seilen und Hoffnung zusammengehalten wird. Während er so holpert und rattert und schwankt und ruckelt, bilden sich Spalte. Zwischen den Wänden. Zwischen Wänden und Dach. Zwischen Wänden und Boden. Wir gucken uns an. Mit aufgerissenen Augen.
»Meint ihr, der fällt gleich auseinander?«, fragt Em.
»Natürlich nicht«, sag ich.
Plötzlich werden die Spalte breiter. Der Wagen ächzt.
»Auf den Boden!«, brüllt Lugh.
Wir schmeißen uns alle mit dem Gesicht voran ins Stroh. Der Wagen fährt durch ein Schlagloch. Hebt vom Boden ab. Kracht wieder runter. Der Boden spaltet sich und bricht auf. Emmi schreit. Wir fallen durch.
Jetzt kommt’s – die harte Erde, die Räder, die Schmerzen, lass es schnell gehen, o Gnade, das ist das Ende, so geht’s zu Ende –
Wir landen nicht auf der Straße.
Wir sind nicht auf der Erde gelandet. Wir werden nicht zertrampelt und zermalmt. Unsere Knochen sind nicht gebrochen. Keiner ist tot. Wir sind immer noch im Kompendalorium und rattern die Straße lang. Und wir haben gerade Slims Geheimnis entdeckt. Der Wagen hat einen doppelten Boden. Einen doppelten Boden mit einem Versteck drunter. Da sind wir reingeplumpst.
Was das angeht, wo wir draufplumpst sind …
Tja.
I ch starr in den Lauf von einem Feuerstab.
Er ist in ein Tuch gewickelt. Oben ist es ein Stück runtergerutscht.
Das Geheimversteck ist voller Bündel in Tüchern, in verschiedenen Größen und Formen. Wände und Boden sind dick gepolstert, um die geheime Ladung vom Kompendalorium zu schützen. Ich lieg zuunterst in einem Haufen aus Armen und Beinen und Stroh und kaputten Bodenbrettern. Wir sortieren unsere Glieder und glotzen. Lugh nimmt ein kleines Bündel und zieht das Tuch ab. Es ist ein Bolzenschießer. Emmi wickelt ein Blasrohr aus. Maev ein Schwert. Tommo ein Bündel Pfeile. Dazu ein paar Waffen, die ich noch nie gesehen hab. Alle sauber und ordentlich und geölt und glänzend. Böse. Kampfbereit. Bei dem Anblick fängt mein Puls an zu rasen.
»Aber er ist doch Arzt«, sagt Em.
»Arzt und Waffenhändler«, sagt Maev.
Eine Weile sagt keiner ein Wort. Dann. Dann kapier ich’s.
»Omeingott«, sag ich. »Es gibt einen Widerstand.«
»Was?«, fragt Lugh.
»Sein Freund da«, sag ich. »Billy Six. Der wild im Wald gelebt und Höfe sabotiert hat. Gestern Abend. Wir haben angehalten, weil er was hat abliefern müssen. Er ist weggegangen, als er eigentlich mit der Wache dran gewesen wär, und hinterher hat er Schlamm an den Stiefeln gehabt. Ich hab gedacht, ich hätte das geträumt, aber … er ist kein Freund der Tonton. Es gibt einen gottverdammten Widerstand, und er ist der Waffenmann.«
»Vielleicht ist es das, was er am Lost Cause abliefern muss«, sagt Maev. »Vielleicht ist das eine Waffenlieferung.«
»Vielleicht ist Molly beim Widerstand«, sagt Emmi.
»Ein paar sind bestimmt auch für Billy Six gewesen«, sag ich, »bloß braucht der keine mehr, weil er an einen Baum genagelt ist.«
»Wartet mal«, sagt Lugh, »wo sind die Beweise? Bloß weil der Kerl Waffen liefert, ist er noch lang kein Freiheitskämpfer. Guckt euch das an, das ist ein verdammtes Waffenlager. Kann genauso gut für die Tonton bestimmt sein. Genau genommen ist das wahrscheinlicher. Die werden beim Lost Cause auf uns warten. Nicht bloß der treulose Jack, sondern seine widerlichen neuen Freunde in Schwarz auch, wette ich.«
Jetzt sieht Lugh mir in die Augen. »Auf dich ist ein Kopfgeld ausgesetzt«, sagt er, »und Jack ist immer auf der Seite mit den besten Aussichten. Wenn das nicht praktisch wär. Sich beim Wegbereiter lieb Kind machen, indem er den Todesengel ausliefert. Slim kennt Molly, Molly kennt Jack … denk drüber nach. Das ist eine Falle. Slim ist ein Tonton-Spitzel. Er hat gewusst, wer du bist, von Anfang an. Er hat uns die ganze Zeit was vorgespielt. Das ist die Geschichte dahinter. Nicht Freiheit. Tod. Unser Tod. Für uns alle.«
Wir gucken uns an.
»Nein«, sag ich. »Nein, du irrst dich.«
»Ach ja?«, sagt Lugh. »Denk doch mal nach.«
Mein Atem geht schnell und flach. Wie ist das gewesen, als wir Slim getroffen haben?
Wohin bist du unterwegs?, hab ich gefragt. Mein Shemag ist verrutscht. Meine Tätowierung, hab ich gedacht, lass sie ihn nicht sehen. Ich hab das Shemag zurechtgerückt und ihn finster angeguckt. »Na?«, hab ich gefragt?
»Nach Osten«, hat er gesagt. »Wir müssen im Sturmgürtel was abliefern. Bei einer Schenke namens The Lost Cause.«
»Alles in Ordnung bei
Weitere Kostenlose Bücher