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Dustlands - Der Herzstein: Roman (German Edition)

Dustlands - Der Herzstein: Roman (German Edition)

Titel: Dustlands - Der Herzstein: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Moira Young
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vorsichtig und sicher. »Das ist einer«, sagt er. »Jetzt noch einer.«
    »Guter Junge«, flüster ich Nero zu. »Tapferer Junge.«
    Er piepst jetzt nur noch. Genauso wie damals, als ich ihn auf dem Boden gefunden hab, als er aus dem Nest gefallen und seine Ma nirgends zu sehen war. Ich weine auch ein bisschen. Ich kann nicht ertragen, dass er Schmerzen hat. Das ist schlimmer, als wenn ich Schmerzen hätte.
    »Na, bitte.« DeMalo ist fertig. »Halt die Wunde sauber«, sagt er. »Lass ihn nicht daran knabbern.« Ich nehm Nero auf den Schoß und tupf ihm die Salbe auf seine arme Haut.
    »Wie fühlt sich das an, mein Freund?« DeMalo hockt sich vor mich. Streckt einen Finger aus, um ihn zu streicheln. Nero hackt kräftig zu. »Das habe ich wohl verdient«, sagt DeMalo. Er sieht so anders aus mit den kurzen Haaren. Sie sind immer noch nass. Zerzaust. Er riecht nach was Grünem. Frisch. Er nimmt mir das Salbentöpfchen ab, taucht den Finger rein und bevor ich weiß, was passiert, verstreicht er sie sanft auf dem Schnitt an meiner Schläfe.
    Und ich lass ihn. Aus irgendeinem Grund lass ich ihn. Ich guck geradeaus, rühr mich nicht, wag kaum zu atmen.
    DeMalo. Ich hab so oft an ihn gedacht. Und die Träume von ihm. Im Wahrtraumzelt und auch andere Male. Immer so seltsam und … sie haben mich verstört. Aber hier sind wir. Als würden wir uns kennen. Was wir nicht tun. Ich kann an zwei Händen abzählen, wie oft ich ihn gesehen hab. Und wir haben nie miteinander geredet. Nicht richtig. Man spricht nicht mit seinem Feind.
    »Es ist ein tiefer Sturz das Weeping Water hinunter«, sagt er.
    Ich lach auf. »Weeping Water«, sag ich. Weinendes Wasser. »Das passt.«
    »Wolltest du dich umbringen?«, fragt er.
    Ich antworte ihm nicht.
    »Als ich dich rausgezogen habe, hast du nein gesagt«, sagt er. »Lass mich in Ruhe, hast du gesagt.«
    »Ich erinner mich nicht mehr. Ich … ich bin einfach gesprungen. Wegen … Nero.«
    Jetzt seh ich DeMalo an. Und er sieht mich an. Richtig. Zum ersten Mal überhaupt sehen wir uns direkt in die Augen. Das Licht der Laterne streift seine breiten Wangenknochen, seine Lippen, seine sanft glänzende Haut. Sein Gesicht ist stark. Wachsam. Schön. Augen mit schweren Lidern, so dunkel, dass sie fast schwarz sind.
    Ich fühl mich zu ihm hingezogen, spür Anziehung zwischen uns. Ich hab sie schon gespürt, als ich ihn zum ersten Mal gesehen hab. Als ob da ein dünner, straffer, unsichtbarer Faden zwischen ihm und mir wär. Und da ist was an ihm – eine Art Stille in ihm –, was mich ihm die Wahrheit sagen wollen lässt. Was mich glauben lässt, dass er mich nicht verurteilen würde.
    »Vielleicht hab ich mich wirklich umbringen wollen«, sag ich. »Ich hab’s mir nicht richtig vorgenommen, aber … vielleicht ist es einfach so, dass es mir so oder so ziemlich egal gewesen ist – egal ist.«
    »Allein seinen Weg zu gehen ist nicht leicht«, sagt er. »Was ist mit deinen Freunden? Mit deinem Bruder und deiner Schwester? Wo sind die?«
    »Ich bin abgehauen.«
    »Du bist nicht wie sie«, sagt er. »Du bist völlig anders als sie.«
    »Ich versteh nicht«, sag ich. »Warum bist du nett zu mir? Ich hab Pinch getötet. Du hast ein Kopfgeld auf mich ausgesetzt.«
    Schweigen. Dann plötzlich das Prasseln von Regen auf dem Zelt. Gleich darauf wird es zu einem Trommeln. Der Regen pladdert auf den Boden draußen, spritzt durch die offene Zeltklappe rein.
    »Als ob wir nicht nass genug wären«, sagt er. Er steht auf und schlägt die Klappe zu, und wir sind eingeschlossen. Allein. Plötzlich ist die Luft drückend.
    Ich steh auf. Nero ist in meine Arme gekuschelt, er schläft schon tief und fest. »Ich muss gehen.« Ich beb. Zitter. Meine Kleider hängen immer noch schwer und nass an mir. Meine Füße sind taub vor Kälte. DeMalo zündet noch eine Laterne an. Er sieht mich nicht an. »Wartet jemand auf dich?«
    Emmi. Lugh und Maev. Tommo und Slim. Ash und Creed und die anderen.
    »Nein.«
    Er sagt: »Es ist Nacht, es regnet, Nero ist verletzt, du wärst beinahe ertrunken und du hast einen verzögerten Schock. Habe ich etwas vergessen?«
    Ja. Ich bin von Jack betrogen worden. Getäuscht.
    »Nein.«
    »Nun, dann.« Er nimmt mir Nero ab und setzt ihn in eine kleine Kiste neben dem Ofen. Ich zieh die Decke um mich, mir klappern die Zähne. DeMalo holt einen Haufen Kleider aus der Holztruhe und legt sie aufs Bett. »Trockene Kleider«, sagt er. Er geht zurück zum Ofen und legt Holz nach. Er hockt mit dem

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