Dustlands - Der Herzstein: Roman (German Edition)
ich hinter ihm aus dem dunklen Schuppen geh, schlüpft Cassie gerade durch die kleine Scheunentür. Musikfetzen folgen ihr.
»Sie haben Emmi gefunden«, sagt Bram. »Sie nehmen sie mit.«
»Sind wir in Schwierigkeiten?«, fragt Cassie.
»Nein«, sagt er. »Wir sind dankbar, dass sie sie gefunden haben. Wir haben gewusst, dass sich jemand hier in der Gegend versteckt, wir haben in letzter Zeit Ärger gehabt.«
Cassie nimmt mich an einem Arm, Bram nimmt meinen anderen Arm, und dann gehen sie mit mir um die Ecke auf den Hof. Wir kommen gerade rechtzeitig, um sie abziehen zu sehen. Der Karren mit den Frauen fürs Gebärhaus rattert gerade vom Hof. Em sitzt auf einem Pferd, klein und zusammengesunken, sie reitet bei dem Mann mit, der sie aufgehoben hat. Er hält sie fest im Arm. Der Befehlshaber reitet als Letzter vom Hof.
Bram hebt zum Dank die Hand. »Wir haben gewusst, dass sich hier irgendwo ein Unruhestifter versteckt hält«, sagt er. »Danke für eure Hilfe. Lang lebe der Wegbereiter!« Er und Cassie machen den New-Eden-Gruß. Der Befehlshaber grüßt zurück. Dann gibt er seinem Pferd die Fersen, um zu seiner Streife aufzuholen.
Jack. Er hat den Mann neben sich angelächelt. Hat über was gelacht, was er gesagt hat.
Die Nacht verschluckt sie. Dämpft das Geräusch ihrer Hufschläge. Dann sind sie weg.
Emmi ist weg.
Der Herzstein auf meiner Haut ist immer noch heiß.
Musik, Gelächter und Licht strömen aus der Scheune. Molly, Creed und Tommo kommen zu uns gelaufen. »Wo bist du gewesen, Saba?«, fragt Molly. »Was ist passiert?«
»Sie haben Emmi mitgenommen«, sagt Cassie.
Ich fühl mich benommen, wie in einem Traum. »Jack ist bei ihnen gewesen«, sag ich. »Er hat sie geschlagen. Er hat sie bewusstlos geschlagen.«
»Was?«, fragt Molly.
»Dann denkt er sich bestimmt, dass sie nicht allein hier ist«, sagt Creed. »Er weiß, dass du hier bist, Saba. Dass Maev dich gefunden hat.«
»Er hat sie mitgenommen«, sag ich.
»Er hat das nicht tun müssen«, sagt Bram. »Er ist allein gewesen. Er hat mit der Pfeife Hilfe gerufen.«
»Er ist übergelaufen, Saba«, sagt Tommo. »Lugh hat recht gehabt.«
Ich weiche zurück. Fremde. Überall. Überall um mich rum. Ich hab einen Kloß im Hals. »Wo ist er?«, flüster ich. »Ich will Lugh, wo ist mein Bruder, ich will meinen Bruder, wo ist er?« Ich zittere. Ich kenne keinen von diesen Leuten, das sind nicht meine Leute, und alles, was ich will, ist Lugh, aber er ist nicht hier, er ist mit Maev irgendwo verschwunden, jetzt wo ich ihn brauch, und ich hab niemand.
»Schsch.« Cassie berührt mich am Arm. »Komm mit«, sagt sie. »Wir können jetzt nichts tun.« Sie führt mich zum Haus. Ich hör Bram irgendwas zu den Männern am Spieß sagen, hör sie lachen. Da stehen ein paar Pferde. Ich geb Cassie einen kräftigen Schubs. Als sie zurücktaumelt, spring ich auf das nächste Pferd. Wir hauen ab. Mein Pferd läuft auf die Felder zu, also geht’s da lang.
Wir fliegen über Stoppelfelder.
Ich lass das Pferd einfach laufen.
Nirgendwohin. Irgendwohin. Egal wohin, Hauptsache weg von hier.
K einer kommt hinter mir her.
Ich reite.
Und reite.
Und ich weine. Ich schrei meine Wut in die Nacht. Nero fliegt über mir, ein stiller Begleiter. Mein Kopf ist dicht. Er pocht. Ich bin in meinen Gedanken gefangen.
All das für Jack. Alles für Jack. Ich hab ihm geglaubt. Ihn verteidigt. Und dann macht er das. So ist er in Wirklichkeit. Er hat mich getäuscht. Mich betrogen. Lugh hat die ganze Zeit recht gehabt.
Was weißt du von ihm? Nichts. Er schlägt sich immer auf die Seite, die ihm gerade passt. Der Mann ist falsch. Ein Gauner. Er hat euch alle verraten. Hat euch belogen und betrogen.
Auf dich ist ein Kopfgeld ausgesetzt, und Jack ist immer auf der Seite mit den besten Aussichten. Wenn das nicht praktisch wär. Sich beim Wegbereiter lieb Kind machen, indem er den Todesengel ausliefert.
Wenn Bram mich nicht festgehalten hätte, wenn er mich nicht aufgehalten hätte, dann hätten die Tonton mich jetzt auch.
Gauner.
Verräter.
Schwindler.
Jack hat in allem gelogen. Wer er ist. Was er ist. Was er für mich fühlt. Ein Mittel zum Zweck. Das ist alles, was ich je für ihn gewesen bin.
Ich mag nicht mal drüber nachdenken. Wie blöd ich war. Was für eine blinde dumme Kuh.
Wen kümmert’s, was Molly über ihn sagt? Was weiß die schon? Guckt sie euch doch an, lebt da jahrelang in dem gottverlassenen Sturmgürtel und wartet drauf, dass Ike Twelvetrees zu ihr
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