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Dustlands - Die Entführung

Dustlands - Die Entführung

Titel: Dustlands - Die Entführung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Moira Young
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kommen. Bevor ich es ihm gesagt hab.
    Sind sie da? Sind sie gekommen?
    Sie sind nicht aufzuhalten, Saba. Es hat begonnen.
    Und er hat gewusst, dass er sterben würd. Er hat gewusst, dass seine Geschichte fast zu Ende gewesen ist.
    Meine Zeit ist fast abgelaufen. Was danach kommt, weiß ich nicht.
    Wenn Pa die Sterne nicht hat deuten können, wenn die Sterne nichts zu sagen haben, woher hat er das dann gewusst?
    Woher?

Crosscreek
    S echster Tag. Später Nachmittag.
    Ein Lüftchen wispert vorbei, und irgendwo über mir klickt und klappert es. Ich bleib stehen. Guck hoch. Da hängen drei Hirschknochen zusammen hoch oben in einem Baum.
    In meinem Kopf hör ich Pas Stimme.
    Nach drei Tagen führt der Pfad euch durch einen tiefen Kiefernwald. Haltet die Augen offen. Wenn ihr das Windspiel im Baum seht, wisst ihr, dass ihr in Crosscreek seid.
    Ohne das Lüftchen hätt ich es nicht bemerkt. Ich leck mir über die trockenen Lippen. Emmi, sag ich. Das Windspiel. Wir sind da.
    Noch nie im Leben bin ich so froh darüber gewesen, an einem bestimmten Ort zu sein. Seit gestern Mittag sind alle Wasserlöcher und alle Bäche unterwegs entweder ausgetrocknet gewesen oder eine giftige Brühe, auf der schleimige gelbe Pflanzen schwimmen. Und gestern Morgen haben wir das letzte Mal was gegessen. Lange hätten wir nicht mehr durchgehalten.
    Ist das Crosscreek?, fragt Emmi.
    Ich setz zum letzten Mal die Schlepptrage ab.
    Dann mach ich die Augen zu und steh einen Augenblick lang einfach da. Mein Körper ist so wund und steif und hundemüde. Ich wünscht, ich müsst mich nie mehr bewegen.
    Ich versuch, meine Finger zu strecken, aber sie bleiben krumm. Sie sind so lange um die verdammten Stangen gekrümmt gewesen, dass sie bestimmt für immer so bleiben. Ich hab nicht damit gerechnet, dass ich Emmi und unsere Beutel drei Tage lang schleppen muss. Und Em hat überall blaue Flecken, ist also nicht so, als wär sie ungeschoren davongekommen.
    Ich schnall sie los und helf ihr aufzustehen. Dann will ich sie hochheben, aber sie sagt: Nein. Ich lauf.
    Wirklich? Sie nickt. Ich werf mir unsere Beutel über die Schulter. Die Schlepptrage schieb ich tief in die Büsche, wo sie nicht zu sehen ist.
    Verlasst den Weg. Nehmt den Trampelpfad den Hügel runter in die Senke.
    Trampelpfad kann man es kaum nennen. Wenn man nicht wüsste, dass er da ist, würd man ihn nicht entdecken. Wir gehen zwischen Bäumen durch. Kiefernnadeln dämpfen unsere Schritte und verströmen ihren warmen Duft, wenn wir sie unter den Füßen zerdrücken. Über unseren Köpfen flitzt Nero von Ast zu Ast. Er krächzt aufgeregt, wir sollen uns beeilen.
    Jetzt fällt der Boden langsam ab. Wird steiler. Dann noch steiler. Das Gehen wird anstrengender, weil die Kiefernadeln den Boden rutschig machen. Ich nehm Emmi an die Hand, damit sie nicht hinfällt. Stellenweise müssen wir auf dem Hintern runterrutschen, an anderen Stellen seitlich bergab gehen. Wir gehen und gehen und gehen.
    Dann. Essensgeruch kitzelt mich in der Nase. Fleisch. Mir läuft das Wasser im Mund zusammen.
    Ist das Eintopf?, fragt Emmi.
    Das will ich hoffen, sag ich.
    Endlich kommen wir am Fuß vom Hügel an. Wir treten aus dem Wald auf eine Lichtung und sind in einer anderen Welt.
    Ein struppiges Pony weidet in der Nähe auf einem Fleckchen grünem Gras. Es hebt den Kopf und guckt uns kurz an, dann wendet es sich wieder seinem Fressen zu.
    Wir sind in der Senke, von der Pa uns erzählt hat, in einem kleinen Flusstal. Gleich vor uns steigt das Gelände sanft an. Zwei Bäche rinnen von oben runter. Fast ganz unten fließen sie zusammen zu einem schmalen kleinen Bach. Crosscreek. Flusskreuzung. Glitzernd schlängelt der Bach sich durchs Tal.
    Eine niedrige Brücke führt über den Bach, und am anderen Ufer steht im Schatten von Kiefern eine kleine Holzhütte. Mercys Häuschen. Neben der offenen Tür steht eine rote Bank. Ein Kochtopf hängt überm Feuer. Es ist ganz still, nur der seichte Bach murmelt über die Steine. Als ob das ganze Tal schlafen würd, still wie eine Katze in der Nachmittagssonne.
    So einen Ort hab ich noch nie gesehen. Hätt nie gedacht, dass es so was irgendwo gibt. Tränen schießen mir in die Augen. Pa hat uns nicht gesagt, dass es hier so ist. Nie.
    Aber er hat gewusst, dass dieses Tal hier ist. Er hat es gewusst und uns trotzdem all die Jahre an einem sterbenden See festgehalten. Obwohl es immer weniger zu essen gegeben hat und das Leben immer schwerer geworden ist. Dabei gibt es das hier, nur ein

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