Dustlands - Die Entführung
Trink aus, sagt sie. Kann dich doch nicht dursten lassen. Käfigkämpfer müssen in Bestform sein.
Ich starr sie an und trink. Behalt das Wasser im Mund und spuck es ihr ins Gesicht.
Sie sagt nichts. Starrt mich nur eine Weile an, und das Wasser läuft ihr übers Gesicht. Das hättest du nicht tun sollen, sagt sie. Sie geht rüber zu Emmi.
Nein!, brüll ich. Rühr sie nicht an!
Sie schlägt ihr ins Gesicht. Feste. Emmi schreit auf. Sie hebt den Kopf, und ich seh, dass ihre Lippe aufgeplatzt ist. Blut läuft ihr in den Mund und übers Kinn. Sie fängt an zu weinen.
Lass sie in Ruhe!, brüll ich. Sie ist noch ein Kind! Sie hat dir nichts getan!
Miz Pinch kommt rüber und kniet sich neben meine Pritsche. Hält ihr Gesicht so dicht vor meins, dass ich jede einzelne Pockennarbe auf ihrer Haut sehen kann. Dass ich würgen muss, weil ihr Atem so stinkt. Der riecht wie Fleisch, das man in der Sonne liegen gelassen hat. Sie lächelt.
Jedes Mal wenn du mir nicht gehorchst, sagt sie, jedes Mal wenn du versuchst abzuhauen, schlage ich deine kleine Schwester. Ich schlage sie oder … ich verbrenne sie. Wenn mir danach ist, breche ich ihr vielleicht auch den Arm. Aber dich werde ich nicht schlagen. Dich werde ich nie schlagen, meine Schöne.
Sie streicht mir mit dem Finger über die Wange. Ihr dreckiger Fingernagel kratzt über meine Haut. Und weißt du auch, warum?, fragt sie. Du bist zu wertvoll für mich. Deine Schwester … die ist nichts wert. Nicht für mich jedenfalls. Aber wir finden bestimmt schnell raus, wie viel sie dir wert ist.
I ch merk, dass sie das Segel einholen. Der Wüstenschwan wird immer langsamer und bleibt irgendwann mit einem Zittern stehen. Ich hör was dumpf auf den Boden schlagen, das muss der Anker sein. Wir halten wohl über Nacht an.
Miz Pinch hat bei uns in der Hütte eine große Eidechse gehäutet und auf einem großen Eimerofen geschmort. Dabei hat sie die ganze Zeit vor sich hin gesummt. Als ob wir gar nicht da wären.
Ich hab keinen Mucks mehr von mir gegeben, seit sie gesagt hat, dass sie Emmi wehtut. Ich versuch, mir einen Plan auszudenken. Versuch mir zu überlegen, was Lugh tun würd, wenn er an meiner Stelle wär. Wenn er hier wär. Und wie sehr ich mir wünsch, er und ich wären zusammen hier, nicht ich und Emmi. Dann wär es nicht so schlimm. Dann hätt ich das Gefühl, dass wir vielleicht was dran machen können.
Alles okay, Emmi?, flüster ich.
Sie nickt. Ihre Augen wirken sehr groß in ihrem mageren kleinen Gesicht. Ihre Lippe ist geschwollen, wo Miz Pinch sie geschlagen hat. Das Blut ist zu einer dunklen Kruste getrocknet. Ich mag gar nicht dran denken, wie ich sie auch mal geschlagen hab, da am See, und dabei ist sie von meinem eigen Fleisch und Blut. Nachdem Miz Pinch sie geschlagen hat, hat sie zuerst geweint, aber seitdem hat sie auch keinen Mucks mehr von sich gegeben.
Du hast recht gehabt mit den beiden, sag ich. Tut mir leid. Ich hätt auf dich hören sollen.
Schon okay, sagt sie.
Nein, ist es nicht, sag ich. Und es ist meine Schuld, dass sie dich geschlagen hat. Ich hätt sie nicht anspucken sollen.
Ich bin froh, dass du’s getan hast, sagt Emmi.
Das ist die richtige Einstellung, sag ich. Ich hol uns hier raus, Em. Versprochen.
Hört auf zu quasseln!, brüllt Miz Pinch uns an. Dann reißt sie die Tür auf und kreischt: Essen ist fertig!
Rooster Pinch kommt in die Hütte geschlichen.
Du mieser Lügner!, sag ich.
Sein Blick schießt hin und her, und er ist ganz zerknittert, kann mir nicht in die Augen sehen. Tut so, als ob er mich nicht hört.
Das riecht großartig, meine Liebe! Er reibt sich die Hände, tut ganz fröhlich und schnuppert. Das reinste Ambrosia!
Halt die Klappe, sagt sie. Hinsetzen.
Sie schaufeln das Essen in sich rein. Als er fertig ist, wischt er seine Schale mit dem Fingern sauber und leckt die dünne Soße ab. Sie nickt in unsere Richtung.
Fütter sie lieber, sagt sie.
Ich, meine Liebe? Oh! Hältst du das für klug? Du wärst viel besser geeignet, sie zu –
Ihre große Hand schießt vor und haut ihm eine runter. Hastig holt er zwei Blechteller und tut Eintopf drauf. Zuerst geht er zu Emmi. Er hilft ihr, sich aufzusetzen und hält ihr einen Löffel voll an den Mund. Sie guckt zu mir.
Das ist okay, sag ich. Ich lächel sie an, und sie lächelt bang zurück.
Dann isst sie gierig, hungrig, fast ohne zu kauen.
Braves Mädchen, sagt Pinch. So ist es recht.
Er guckt sich um. Miz Pinch ist mit Aufräumen beschäftigt. Sie summt
Weitere Kostenlose Bücher