Dustlands - Die Entführung
wieder und achtet nicht auf uns. Er guckt mich schnell an und flüstert dann uns beiden zu:
Es ist am besten, wenn ihr tut, was sie sagt, meine Lieben. Sonst wird es sehr schwer für euch, glaubt mir.
Du musst uns helfen, abzuhauen, flüster ich. Bitte.
Das kann ich nicht. Ich wage es nicht. Wenn ihr versucht zu fliehen, wird sie euch töten. Das hat sie mit der Letzten auch getan. Sie sieht alles. Sie –
Miz Pinch merkt, was er vorhat.
Was ist da los? Ich will hoffen, dass du nicht mit den Mädchen quasselst, Rooster.
Nein! Selbstverständlich nicht! Würde ich mir im Traum nicht einfallen lassen.
Ist auch besser so. Und falls ich rausfinde, dass du mich anlügst, weißt du ja, was passiert, oder? Dann setzt es einen Brandfleck. Wie würde dir das gefallen?
Das würde ich nie tun, mein Schatz, sagt er.
Dann beeil dich gefälligst.
Er füttert Emmi hastig zu Ende, dann kommt er zu mir rüber.
Wie meinst du das, die Letzte hat sie auch getötet, flüster ich. Was für eine Letzte?
Er antwortet nicht. Ich versuch, seinen Blick aufzufangen, aber er guckt mich nicht an, starrt die ganze Zeit auf den Teller. Sein Gesicht glänzt vor lauter Schweiß, und der Löffel in seiner Hand zittert. Jetzt fällt mir auch auf, dass seine Hände und Handgelenke voll mit hässlichen dunkelroten Brandnarben sind. Als ob jemand mit einem heißen Schürhaken auf ihn losgegangen wär.
Das meint sie also, wenn sie sagt, es setzt einen Brandfleck. Das macht sie, wenn er nicht tut, was sie sagt. Er wird uns nicht helfen. Er hat viel zu viel Angst.
Wir sind auf uns allein gestellt.
Und da bin ich auf einmal ganz ruhig.
Das sieht vielleicht verrückt aus, wo wir doch beide an Händen und Füßen gefesselt sind und es keine Menschenseele gibt, die uns hilft. Aber ich bin ruhig. Weil ich jetzt weiß, was ich zu tun hab. Und was ich nicht tun darf, nämlich Zeit damit verschwenden, dass ich glaub, uns würd jemand helfen. Irgendjemand würd kommen und uns retten. Ich kann auf niemand zählen, nur auf mich.
Was ich also tun muss, ist aufpassen. Und lernen. Und nachdenken. Und mir was ausdenken. Ich werd dafür sorgen, dass wir am Leben bleiben, Emmi und ich. Ich werd alles dafür tun. Ich werd tun, was die alte Hexe mir sagt.
Aber ich werd auch aufpassen und warten. Und wenn es so weit ist, wenn die Gelegenheit da ist, werd ich bereit sein. Ich werd wissen, was zu tun ist, und ich werd uns hier rausholen.
Dann gehen wir Lugh suchen.
Ich hab es ihm versprochen. Und ich bin kein Schisser.
Egal was passiert.
M iz Pinch kommt auf mich zu. Sie hat ein Messer in der Hand. Ich weich zurück bis an die Wand, aber sie packt mich im Nacken.
Erst füttere ich dich, geb dir zu trinken, und dann schlitz ich dir die Kehle auf, sagt sie. Ich weiß, dass du das denkst. Hah. Vergiss es.
Sie nimmt meinen langen Zopf und zieht ihn nach oben, bis ich den Kopf senken muss. Ich wimmer, ein stechender Schmerz läuft durch meine Kopfhaut. Sie sägt mit dem Messer am oberen Ende vom Zopf und hat ihn im Nu abgeschnitten. Sie hält ihn hoch.
Das ist ein hübscher Zopf, sagt sie. Bringt bestimmt ordentlich was ein.
Dann holt sie eine Schüssel mit heißem Wasser, ein Stück Seife und ein Rasiermesser. Ohne Vorwarnung kippt sie mir das Wasser übern Kopf. Dann seift sie mir den Kopf ein. Die Seife läuft mir in die Augen, dass sie brennen und tränen. Ich geb keinen Mucks von mir. Guck schnell zu Emmi und lächel, damit sie sich keine Sorgen macht.
Dann starr ich vor mich hin. Als sie mich genug eingeseift hat, nimmt sie das Rasiermesser und fängt an, mir die Haare abzurasieren. Ganze Klumpen fallen mit einem feuchten Plumps zu Boden. Im Käfig willst du keine Haare haben, sagt sie. Ein schlauer Kämpfer rasiert sich den Kopf. Du willst deinem Gegner nichts geben, wo er dich dran festhalten kann. Und egal was du tust, lass sie nicht an deine Ohren. Die reißen dir ein Ohr ab, bevor du weißt, was passiert. Käfigkämpfe sind nichts für Feiglinge.
Plötzlich seh ich, dass sie was um den Hals hängen hat. Meinen Herzstein! Den rosa Herzstein, den meine Mutter Mercy gegeben hat. Den Mercy mir gegeben hat. Sie muss meine Taschen durchsucht haben, hat sich genommen, was sie haben will.
Ich atme zischend ein. Das Herz klopft mir bis zum Hals. Am liebsten würd ich ihr den Stein vom Hals reißen. Ihr das Gesicht zerkratzen, schon weil sie gewagt hat, ihn auch nur anzufassen. Ich wind mich und schüttel ihre Hand ab.
Gib ihn mir wieder!, sag
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