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Dustlands - Die Entführung

Dustlands - Die Entführung

Titel: Dustlands - Die Entführung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Moira Young
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finstersten Gedanken, meine schlimmsten Ängste.
    Ich kenn dich, flüstert eine Stimme. Ich kenn dich.
    Kälte kriecht in meine Adern. Ein eisiger Schauder überläuft mich. Von den Zehenspitzen bis zum Kopf. Er spürt es. Er sieht es. In seinen Augen flackert ganz kurz was auf. Dann geht er weiter, schlüpft durch die Tür und ist weg.
    Das Ganze hat nur einen Herzschlag lang gedauert. Er und ich, zusammen in einem Herzschlag eingeschlossen, ohne Ausgang.
    Eine ganze Weile sagt keiner was. Keiner rührt sich. Es ist, als ob wir alle dasselbe gespürt hätten. Als ob wir alle den Atem angehalten hätten.
    Was ist da gerade passiert? Wer ist das? Sie haben alle Angst vor ihm.
    Dann stürzt der Käfigmeister zum Tisch, gießt sich Grog in einen Becher und trinkt ihn aus. Er lässt sich auf seinen Stuhl plumpsen und wischt sich mit dem roten Tuch über die Stirn.
    Na dann, sagt Miz Pinch, ich glaube, wir verstehen uns.
    Ja, sagt er. Natürlich. Also, du willst mir was zeigen. Deine neueste Erwerbung, nehm ich an. Er mustert mich mit seinen kleinen gierigen Augen. Du glaubst also, sie ist gut für den Käfig?
    Ich glaub es nicht, sagt Miz Pinch, ich weiß es. Die hier ist eine Ausnahmekämpferin. Was ganz Besonderes.
    Also nicht wie die Letzte, die du mir gebracht hast, sagt er. Die war eine herbe Enttäuschung. Hat überhaupt nicht mitgearbeitet. Ich hab schon gefürchtet, dass dein Urteil nicht mehr das ist, was es mal gewesen ist, ha-ha!
    Miz Pinchs Hals läuft rot an. Sie ballt die Fäuste. Pass bloß auf, was du sagst, Käfigmeister, sagt sie.
    Ich … ich hab nicht respektlos sein wollen, Miz Pinch. Du kennst mich doch, ich hab nicht –
    Vergiss bloß nicht, mit wem du hier redest, sagt sie. Vergiss nicht, wer ich bin. Ich hab Einfluss! Abgesehen davon hab ich mich um das Mädchen gekümmert. Sie hat gekriegt, was sie verdient hat.
    Richtig! So ist’s recht! Du bist einmalig! Na dann, sagt er, schauen wir uns deinen Hauptgewinn mal näher an.
    Geh zu ihm, sagt sie zu mir. Sie will mich schubsen, aber ich schüttel ihre Hand ab.
    Gib der Angst nicht nach, Saba. Sei stark, ich weiß ja, dass du stark bist.
    Ich geh vor zum Tisch, aber ich lass mir Zeit dabei. Meine Fußketten klirren auf dem Steinboden. Ich hak einen Fuß hinter ein Stuhlbein, zieh mir den Stuhl ran und setz mich hin.
    Mit meinen zusammengeketteten Händen nehm ich mir einen von den gebratenen Spatzen und beiß den Kopf ab. Dann gieß ich mir einen Becher Grog ein und trink ihn aus. Dabei starr ich den Käfigmeister die ganze Zeit an. Den leeren Becher stell ich verkehrt rum auf den Tisch.
    Er kneift die Augen zusammen.
    Tja, sagt er, frech ist sie jedenfalls, das geb ich zu. Steh auf, Mädchen, lass dich mal richtig ansehen.
    Ich muster ihn von oben bis unten. Schürz die Lippen.
    Wie der Blitz ist er um den Tisch rum. Er packt mich am Arm und zerrt mich hoch. Wer hätte gedacht, dass ein fetter Mann sich so schnell bewegen kann? Und er ist auch viel stärker, als ich gedacht hätte. Er zieht mich eng an sich.
    Pass bloß auf, flüstert er mir ins Ohr. Ich hab hier das Sagen. Es ist mir egal, wer du bist oder wo du herkommst. In Hopetown ist mein Wort Gesetz. Wenn ich es nicht sage … bist du nichts. Weniger als nichts. Der Dreck unter meinen Füßen nutzt mir mehr als du. Kapiert?
    Ich nicke.
    Gut, sagt er.
    Dann leckt er mir langsam übers Ohr. Und tritt zurück. Mir dreht sich der Magen um. Ich spür, wie mir das Blut ins Gesicht steigt. Am liebsten würd ich sofort mein Ohr schrubben, kotzen, aus dem Zimmer rennen, aber ich darf nicht. Ich tu’s nicht. Ich starr einfach geradeaus.
    Sie ist stark, sagt Miz Pinch. Und schlau ist sie auch.
    Stark, schlau und frech. Der Käfigmeister stolziert um mich rum und mustert mich von oben bis unten. Tja, sie kann sich sehen lassen. Kann sein, dass du hier wirklich was hast.
    Hab ich dir doch gesagt, sagt sie.
    Der Käfigmeister guckt mich an. Dann sagt er:
    Die Frage ist nur: Kann sie auch kämpfen?
    Gibt nur eine Möglichkeit, das rauszufinden, sagt Miz Pinch.
    Ganz recht, sagt er. Und was du heute kannst besorgen, das verschiebe nicht auf morgen. Kommt.
    Der Käfigmeister geht zu der Tür, durch die DeMalo reingekommen ist, und stößt sie weit auf. Das Gebrüll, das wir vorhin schon gehört haben, wird wieder ohrenbetäubend laut. Der Käfigmeister geht raus. Wir hinterher.
    Wir stehen auf einer Plattform und gucken runter auf eine riesige Menschenmenge.
    Willkommen im Kolosseum, sagt er.

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