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Dustlands - Die Entführung

Dustlands - Die Entführung

Titel: Dustlands - Die Entführung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Moira Young
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ja nicht, wie’s euch geht, sag ich, aber ich hab das Gefühl, heute Nacht werd ich Glück haben.

    W ir warten.
    Wir sitzen in unserem Holzkreis auf der Erde, gleichmäßig verteilt. Gucken auf den ausgetrockneten See. Jack sitzt an einer Seite von mir und Epona an der anderen. Ike und Ash decken den Rest vom Kreis ab. Emmi und Tommo hocken in der Mitte neben einem Haufen Steine, die sie für ihre Schleudern gesammelt haben. Ich umklammer meinen Feuerstein, bereit, meinen Abschnitt vom Holzkreis anzuzünden.
    Jetzt wird es langsam richtig dunkel. Am dunkelgrauen Himmel streckt die untergehende Sonne rote Finger aus. Die ersten Sterne blinzeln auf uns runter. Jetzt müssen wir nicht mehr lange warten.
    Wenn ich dich was frage, sagt Jack, sagst du mir dann die Wahrheit?
    Vielleicht, sag ich. Kommt drauf an.
    Warum bist du mich suchen gekommen?, fragt er. In Hopetown, meine ich. Woher hast du gewusst, wo du mich findest?
    Ich will ihm schon irgendeine schlagfertige Antwort geben, irgendwas, was ihn auf Abstand hält, wie immer. Aber ich tu’s nicht. Der Herzstein brennt auf meiner Haut. Und ich fühl mich mutig. Verwegen.
    Ich hab einen Traum gehabt, sag ich. In der Nacht vor dem Feuer.
    Du hast geträumt, wo du mich findest?
    Wir reden leise, damit die anderen nichts mitkriegen.
    In dem Traum bin ich im Dunkeln gewesen, sag ich. Ich hab nichts sehen können, hab kaum Luft gekriegt. Da ist Rauch gewesen, und Feuer, und es ist schrecklich heiß gewesen. Und ich hab nach jemand gesucht. Ich hab nicht gewusst, nach wem, ich hab einfach … gewusst, dass ich ihn finden muss. Aber ich hab ihn nicht gefunden, und das ist … schlimm gewesen. Beängstigend. Dann bin ich … aufgewacht.
    Du hast … nach mir gesucht?, fragt Jack.
    Ich glaub schon, sag ich. Ja.
    Aber du hast mich doch gefunden, sagt Jack. Du hast mich gefunden, obwohl ich im Loch eingesperrt gewesen bin. Wie?
    Ich knie mich neben ihn. Fühl mal, sag ich. Ich nehm Jacks Hand und leg sie auf den Herzstein an meinem Hals.
    Er ist wieder ganz heiß, sagt er.
    Ich atme tief durch. Das ist ein Herzstein, sag ich. Der wird nur warm, wenn ich in deiner Nähe bin. Je näher ich bei dir bin, desto heißer wird er. Dadurch hab ich gewusst, wo ich dich find.
    Er sagt nichts. Das ist das erste Mal, dass ich Jack sprachlos erleb. Nach einer Weile nimmt er die Hand weg.
    Das ist bestimmt lästig, sagt er.
    Ich hab mich dran gewöhnt, sag ich. Hör mal, Jack. Ich möcht dir nur sagen, dass ich –
    Schsch! Er hält die Hand hoch.
    Wir warten. Lauschen.
    Stille.
    Stille.
    Dann. Ein leises Rumpeln. Wie Donner in der Ferne.
    Sie sind wach, flüstert er.

    Z ündet die Feuer an, sagt Jack.
    Ich kriech vor und halt meinen Feuerstein ans Anmachholz unten am Holzkreis. Schlag ihn an. Ein Funke springt aufs trockene Holz. Es fängt Feuer, und ich blas vorsichtig darauf, bis die Flamme richtig brennt. Sie züngelt die Zweige und Äste rauf. Ich guck mich um. Die anderen machen in ihrem Abschnitt das Gleiche. Im Nu haben wir ein kräftiges Feuer und stehen in der Mitte von unserer Flammenfestung.
    Wir haben Glück mit dieser Nacht. Der Himmel ist hoch und klar. Der Mond hängt tief über den Berggipfeln und wirft einen breiten Silberpfad auf den ausgetrockneten See. Wir haben in alle Richtungen klare Sicht.
    Ich halt die Armbrust in der Hand. Neben meinen Füßen stehen zwei Flaschen voll mit wodkagetränkten Pfeilen. Mein Messer steckt in der Scheide in meinem Stiefelschaft. Ich will nicht darüber nachdenken, dass ich es vielleicht benutzen muss. Denn das bedeutet, dass alles andere schiefgegangen ist. Das Messer ist meine letzte Verteidigung.
    Ich spür so eine eisige Ruhe. Mein Kopf ist ganz klar. Obwohl mir das Herz bis zum Hals schlägt.
    Emmi, sag ich, bleib dicht bei Tommo.
    Okay, sagt sie.
    Stille. Stille. Stille. Nur das Feuer prasselt. Schnell guck ich mich nach Jack um. Er hat den Kopf hoch erhoben, wie ein Wolfshund, der etwas wittert.
    Dann ein Knirschen. Ein langsames quälendes Knarren. Die Sorte Geräusch, das eine rostige alte Tür macht, wenn man sie aufdrückt. Aber es ist keine Tür. Es ist der Boden.
    Von irgendwo tief unter uns, von irgendwo tief, tief unten im dunklen Bauch der Erde, wird der uralte Boden vom See langsam aufgedrückt.
    Die Höllenwürmer sind wach. Und sie kommen hoch, um zu fressen.
    Der Boden fängt an zu beben. Dann zittert er stärker. Schwankt unter unseren Füßen. Ich taumel. Epona packt mich am Arm, damit ich nicht

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