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Dying to Live - Die Traurigkeit der Zombies (German Edition)

Dying to Live - Die Traurigkeit der Zombies (German Edition)

Titel: Dying to Live - Die Traurigkeit der Zombies (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Paffenroth
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– die Art von Unruhe, die aus einer Intimität voller Unterschiede und Geheimnisse entsteht. An jenem Sommerabend, in jenem dunklen Wäldchen, gab es neben Milton aber noch unzählige andere Dinge, die einen auf körperlichere, durchdringendere Weise nervös machen konnten. »Sie hat lange mit dem Stock und mit Schusswaffen trainiert, bei jedem Wetter, bei Tag und bei Nacht. Sie ist ebenso bereit wie jeder andere von uns, dem Leben entgegenzutreten und ihren Mitmenschen zu dienen.«
    »Und das zweite wichtige Gesetz unserer Gemeinde, Zoey«, fuhr Milton fort, »das wir heute Nacht am allermeisten bekräftigen wollen?« Zwei weitere Schritte.
    Das Stöhnen direkt vor mir war zwar nicht lauter geworden, aber ich war ihm nun bereits so nahe, dass ich spürte, wie es in meinem ganzen Körper und in meinem Kopf vibrierte. Ohne meinen Kopf zu heben, verdrehte ich meine Augen nach oben, so weit es ging, damit ich nach vorne sehen konnte. Die Dunkelheit glich einem blanken Vorhang. Ich konnte das Rascheln ihrer Kleidung hören und sie sogar riechen – sie rochen allerdings nicht verfault, sondern nur modrig und verbraucht, wie vergessene, nutzlose Dinge, die sich so weit auflösen, dass nur noch Dämpfe zurückbleiben. Übertrieben stieß ich jedes einzelne Wort als heiseres Schreien aus und schleuderte es gegen diese Mauer aus toten Lauten: »Die Toten zu ehren.«
    Milton hielt inne. »Das ist richtig, Zoey, und auch wenn es nur das zweitwichtigste unserer Gesetze ist, so ist es doch häufig das schwierigere. Mach deine letzten Schritte, Zoey.« Zwei Schritte, und unsere Füße berührten eine Reihe von Steinen, die in den Boden eingelassen worden waren, um die Stelle möglichst deutlich zu kennzeichnen.
    Ich konnte das Klicken kaum hören, als mein Dad seine MP5 entsicherte. »Falls hier irgendwas auch nur das kleinste bisschen schiefläuft, Kleines, dann verschwindest du sofort und überlässt den Rest mir«, flüsterte er.
    »Du schwörst, die Toten zu ehren, Zoey«, rief Milton hinter uns. »Dann sollst du nun ihren Segen erhalten. Lass sie dich auf die einzige Weise willkommen heißen und segnen, die sie kennen.«
    Ich beugte mich nach vorne und schloss die Augen. Mit jedem Zentimeter, den ich mich weiter hinunter und nach vorne beugte, verstärkte sich der Griff meines Dads auf meiner Schulter. Er hatte mir vor Kurzem erklärt, dass sie stets dafür sorgten, die Fingernägel der Toten ordentlich zu schneiden. Vor ein paar Tagen war er selbst hier draußen gewesen, hatte ihre Arme zwischen den Stangen des Zaunes hindurchgezerrt und ihnen die Nägel geschnitten. Trotzdem war alles, was ich tun wollte, als ich ihre geisterhaften Berührungen nun auf meinem wunden Schädel spürte, wegzurennen und zu schreien. Mein leerer Magen schien sich noch enger zusammenzuziehen und in meine Beckengegend zu rutschen, so als wolle auch er vor den tödlichen Fingern fliehen.
    Als ihre Berührungen jedoch intensiver wurden, entspannte ich mich ein wenig und ließ ihre Finger über meine Haut gleiten und tanzen. Ich spürte weder Klauen noch Schwielen oder Wunden, sondern nur papierne Haut, die über meine eigene glitt, nach Halt suchte und immer wieder abrutschte und von Neuem darüberstrich. Die Finger bewegten sich drängend, ruhelos und mechanisch, aber dennoch sanft, liebevoll und, vor allem, bedauernswert. Ich ließ ihnen also für einige Augenblicke ihren Willen, während sie mich befühlten. Egal, ob sie es aus menschlicher Liebe oder höllischem Hunger taten, ich wusste, dass ich es ihnen schuldig war und es um ihretwillen ertragen konnte.
    »Die Toten akzeptieren und ehren dich, Zoey«, rief Milton hinter mir. »Kehre nun zu den Lebenden zurück.« Mein Dad zog mich wieder hoch, und wir gingen auf die Fackeln auf der Lichtung zu.
    Meine Mom nahm mich fest in den Arm, schluchzte leise und flüsterte mir Entschuldigungen für die Schnitte, die sie mir zugefügt hatte, ins Ohr. Milton und die anderen gratulierten mir kurz und meist wortlos, indem sie mir die Hand schüttelten oder mir auf den Rücken klopften.
    Auf dem Weg zurück in die Stadt kuschelten meine Mom und ich uns auf den Rücksitz und hielten einander ganz fest. Sie sprach die ganze Fahrt über nur einmal, als sie mir zuflüsterte: »Dein Dad und ich sind so stolz auf dich. Genau wie deine biologischen Eltern.«
    Wie so oft hatte Mom wieder einmal intuitiv die richtigen Worte gefunden, denn in jenem Moment war mir der erste traurige Gedanke des Abends durch den

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