Dying to Live - Die Traurigkeit der Zombies (German Edition)
meinem Alter sah, die von ihren Eltern dazu gezwungen wurden, am Abend ihres Gelübdes nett zu Piano Girl zu sein. Aber während die Gratulationen weiter andauerten und die Gelassenheit und die Aufrichtigkeit, die Milton und Mr. Caine in mir gepflanzt hatten, allmählich zu wachsen begannen, wurde mir auch die große Wahrheit dieser Nacht voll und ganz bewusst: All meine Ängste waren letztendlich unbegründet. Ich würde den Lebenden und den Toten dienen und dabei glücklich und ich selbst sein – und sie würden mir sogar dabei helfen. Wir würden es gemeinsam tun – manchmal, weil wir nicht anders konnten, manchmal aber auch, weil wir eben waren, wer wir waren. Als ich die Hitze des riesigen Lagerfeuers spürte und mich vor Hunger und von all den Extremen, die ich kurz zuvor durchlebt hatte, ganz schwindelig und schwach fühlte, wusste ich plötzlich, dass alles, was noch vor mir lag, stets nur aufgrund jener unendlichen Dankbarkeit und Verletzlichkeit geschehen würde, die ich vor einigen Stunden, als ich ganz allein gewesen war, so intuitiv erkannt hatte. Ich war wirklich als anderer Mensch in die Gemeinde zurückgekehrt – oder ich war in eine Gemeinde zurückgekehrt, die sich verändert hatte, jedenfalls von meinem Standpunkt aus. Wie auch immer, ich verspürte in dieser Nacht ein intensives Gefühl der Ehrfurcht, der Verwunderung und der Lebendigkeit.
Schließlich wurde ich zu einer Reihe von Tischen geführt, auf denen Essen und Getränke zu einem Büffet unter den Sternen angerichtet waren. Ich griff zu, und auch die anderen interessierten sich nun mehr für die Speisen und Getränke, unterhielten sich miteinander und flirteten oder tanzten, und schließlich saß ich allein am Rand der Menge, kaute und dachte nach. Aber während mein Bauch sich füllte und nach und nach immer weniger wehtat, kribbelten die Schnitte auf meinem Kopf umso mehr – jedoch nicht vor Schmerzen, sondern vor Aufregung und Erkenntnis. Nach dem Fest gingen wir zurück nach Hause, und ich schlief satter, zufriedener und lebendiger ein als jemals zuvor.
Kapitel 10
Ein paar Tage später kehrte Will zurück. Ich bemerkte sein Kommen, als unter meinen Miteingesperrten der übliche Tumult ausbrach, auch wenn sie sich dieses Mal nicht auf das Tor zubewegten, sondern sich links von unserem kleinen Lagerraum versammelten. Ich konnte Will über die Köpfe der anderen hinweg nicht sehen, aber ich hörte ihn rufen: »Truman, geh mit Blue Eye zum Tor, solange die anderen hier sind!«
Ich nahm Lucy bei der Hand, und wir drückten uns hinter den anderen vorbei. Die meisten pressten sich gegen den Zaun, beachteten uns gar nicht und waren ausschließlich auf Will konzentriert, abgesehen von einem Jungen und einem Mädchen am hinteren Rand des Gewimmels, an denen wir uns vorbeiquetschen mussten, um das Tor zu erreichen. Sie knurrten mich an, aber als Lucy zurückknurrte, verstummten sie mürrisch. Ich verstand diese andere Seite an ihr zwar nicht, aber ich freute mich immer, wenn sie mir ihre schöne Seite zeigte, die allen anderen entging.
Mit unserem schlurfenden Gang dauerte es eine Minute, bis wir das Tor erreichten. Während wir warteten, sah ich zu Lucy hinunter. Ich hoffte wirklich, dass es keine dumme Idee war, mit Will hinauszugehen. Sie blickte zu mir empor, drückte sanft meine Hand und ließ dabei ein tiefes, heiseres Schnurren vernehmen. Nun wusste ich, dass sie einverstanden war und ebenfalls nach draußen wollte, und meine Ängste verflogen. Ich tat, was sie sich wünschte, und das war das Einzige, was zählte.
Nach einigen Minuten kam Will zu uns gerannt und öffnete das Tor, um uns hinauszulassen. Während er es wieder sicherte, behielt er Lucy stets im Auge.
Will trug seine übliche Sicherheitskleidung. »Ich war für ein paar Tage in der Stadt«, berichtete er. »Ich musste ein paar Leute treffen und mich auf den neuesten Stand bringen, was da gerade so los ist. Aber jetzt können wir hingehen, wohin ihr wollt. Ich schätze, ich habe schon alles in dieser Gegend gesehen, schließlich bin ich normalerweise jeden Tag hier draußen, also geht ihr ruhig vor und übernehmt die Führung. Wieso gehen wir nicht erst mal die Straße runter? Da vorne sind noch ein paar Gebäude, aber da hinten fangen gleich die Felder an. Na los, geht schon.«
Wir folgten seinem Vorschlag und gingen über die rissige, überwucherte Schotterstraße, während hinter uns das Stöhnen der anderen allmählich verklang. Ich konnte Vögel singen hören
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