Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dying to Live - Die Traurigkeit der Zombies (German Edition)

Dying to Live - Die Traurigkeit der Zombies (German Edition)

Titel: Dying to Live - Die Traurigkeit der Zombies (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Paffenroth
Vom Netzwerk:
erste lebendige Mensch, den ich je getötet habe. In all den Jahren seitdem hat es mich immer wieder überrascht, dass ich – abgesehen von einem winzigen, beinahe kitzelnden Gefühl des Ekels und einem ganz leisen, kaum wahrnehmbaren Schauer des Mitleids – nicht das Geringste dabei fühlte. »Früher glaubten die Menschen, dass die Dinge sich für sie zum Besseren wenden würden, wenn sie kurz vor ihrem Ende einen netten Gedanken hatten.« Es war die einzige Erwiderung, die mir einfiel, und ich hielt sie für passend.
    »Fick dich, Schlampe.«
    Rhodes pflichtete dem sterbenden Mann in diesem Wunsch bereitwillig bei. »Oh, sei unbesorgt, Bart, altes Haus. Dafür werden wir schon sorgen.«
    Ich sah ungerührt zu, wie Barts Gehirn an die Wand hinter ihm spritzte und er rückwärts auf den warmen, nassen Fleck der Vergänglichkeit auf unserem Fußboden fiel.
    Rhodes drehte sich wieder zu mir um. Er ging einen Schritt auf mich zu. Fran musste ihn ein paarmal getroffen haben: Sein Gesicht war knallrot und aus seinem Mundwinkel rann immer noch Blut. Gut für sie, dachte ich.
    »Ja, du bist wirklich ein heißes, temperamentvolles kleines Ding. Zu heiß für den armen Bart hier.« Er fuhr mit der Spitze des Pistolenlaufs über meine linke Wange. Durch den eben abgefeuerten Schuss war er noch ein wenig warm. »Aber nicht zu heiß für mich, Baby.« Wieder dieses kranke, seelenlose Lächeln. »Scheiße Mann, ja, genau so siehst du mit deiner Glatze und so aus – wie ein kleines Baby!«
    Zum ersten Mal fand ich meine Augen gar nicht mehr so hässlich: Seine waren zwar ebenfalls braun, aber irgendwie kranker und blasser, gelb meliert und mit einem roten Rand. Sie wirkten ungewöhnlich klein, besonders seine Pupillen, was ich seltsam fand, da es in der Hütte nicht besonders hell war. Er ließ den Pistolenlauf an meiner linken Seite hinunter und dann über meinen Bauch gleiten. Das Training half einem dabei, Schmerzen zu ertragen, die man niemals für möglich gehalten hätte. Und es half einem dabei, zuzusehen, wie einem Mann der Kopf weggeschossen wurde und dabei nicht einmal mit der Wimper zu zucken. Aber für Demütigungen und Erniedrigungen gab es kein Training – sie waren immer persönlich, real und ungeschönt.
    Ich spielte mit dem Gedanken, mir die Waffe zu schnappen, aber dann hätte er dem unausweichlichen »Spaß«, den er mit mir plante, nur einige Schläge mit der Pistole hinzugefügt. Da war sie wieder, diese unerbittliche Zähigkeit des Lebens, die ich auch bei Miss Dresden beobachtet hatte. Ich wusste, dass ich ihretwegen für einen viel zu großen Teil der Prügel bei Bewusstsein bleiben würde, und daher schien mir dies keine vernünftige Alternative zu sein. Während Rhodes’ Gestank aus mehrere Jahre altem Schweiß in meinen Augen brannte und mich beinahe zum Würgen brachte, kam mir der Gedanke, dass ich ja vielleicht das Glück haben würde, vorher ohnmächtig zu werden.
    Der Pistolenlauf glitt über meinen Bauch und zwischen meine kleinen Brüste, die ich erst im vergangenen Jahr allmählich bemerkt hatte. Dann ruhte er kurz unter meinem Kinn, bevor Rhodes damit um meinen Mund fuhr. Noch immer verspürte ich weniger Angst als Bedauern, aber nun hatte ich nicht mehr nur das Gefühl, Vera und Fran im Stich gelassen zu haben, sondern empfand auch Verbitterung über meinen eigenen bevorstehenden Verlust – ich bedauerte, dass ich niemals Kinder haben, nie mit einem Jungen Händchen halten und so viele der bescheidenen, aber wertvollen Freuden unserer Welt niemals kennenlernen würde. Auch dieser Gedanke erwuchs jedoch nicht unbedingt aus Angst, sondern war eher ein intensiver, stechender Schmerz der Reue, der Wertlosigkeit und der Hoffnungslosigkeit, gerade so stark, dass ich laut schluckte, als ein Schluchzer in meiner Kehle aufstieg.
    Rhodes legte den Pistolenlauf auf meine Lippen. »Auch keine große Rednerin. Das gefällt mir. Das ist eigentlich das Einzige, was ich an euch Schlampen nicht vermisse – dieses ganze Gelaber davor und danach. Da draußen kann ich wochenlang mit den Jungs unterwegs sein und keine zehn Worte hören. Aber versteh mich nicht falsch – den Mund von euch Schlampen vermisse ich schon. Definitiv. Das wirst du gleich noch herausfinden, wenn du am Leben bleiben willst.«
    Alles, was ich tun konnte, war, ihn anzustarren. Rhodes machte einen Schritt zurück, und ich hoffte schon, er würde seinen »Spaß« vielleicht verschieben. Als er jedoch wieder lächelte, wusste ich, dass

Weitere Kostenlose Bücher