Dying to Live: Vom Überleben unter Zombies (German Edition)
sollten alles dafür tun, mehr von diesen Dingen zu bekommen, genauso, wie wir es mit Lebensmitteln und anderen Vorräten tun.«
»Jack hat mir von eurem Initiationsritus erzählt; dass ihr ihn dazu benutzt, solche nicht überlebenswichtigen Dinge zu sammeln.«
»Und was hältst du von dieser Aufgabe?«
»Um ehrlich zu sein, war ich erst mal skeptisch.«
Er nickte. »Das kann ich mir vorstellen. Ich glaube, man muss erst Teil der Gruppe sein, damit es einem sinnvoll erscheint. Es ist wirklich schade, dass du nicht hier warst, als wir damit angefangen haben.«
»Ja, ich glaube, so langsam verstehe ich es. Und ich gebe zu, dass es durchaus einen Wert hat. Und wenn Jack an Bord ist, kann es ja nicht vollkommen unvernünftig sein, oder?«
Er lächelte. »Da hast du recht. Obwohl er erst vom Sinn der Sache überzeugt werden musste, wie beim Beerdigen der Leichen. Aber ich denke, jedem ist klar, dass die Menschen mehr brauchen als nur Schutz und etwas zu essen. Gib der Natur nur das, was nötig ist …«
»So gilt des Menschen Leben wie des Tiers«, vollendete ich das Zitat.
Milton lachte. »Dieses Mal war ich ein bisschen gemeiner, ich wollte sehen, ob ich dich drankriege. Hatte ich erwähnt, dass ich, bevor ich hierherkam, seit der Highschool keinen Shakespeare mehr gelesen hatte? Und das einzige Stück, an das ich mich aus meiner Highschoolzeit erinnern konnte, war Macbeth . Hexen und Geister und blutverschmierte Hände – das passt ziemlich gut zu den Zuständen, in denen wir jetzt leben, finde ich. Aber jetzt bin ich ganz erstaunt über das, was ich sonst noch in seinen Stücken gelesen habe.«
Wieder blickte er mit seinem verträumten Blick auf. »Ist das nicht seltsam – zu Hause lagen all seine Stücke herum, aber ich habe mir nie die Mühe gemacht, sie zu lesen. Und nun müssen wir kämpfen und töten, um eines seiner Werke oder ein anderes Buch zu bekommen – all die Bücher, die aus den Regalen gefallen sind, als der örtliche Buchladen zerstört wurde, und die nun viel zu schnell zu Staub werden. Vielleicht war das ja auch falsch an der Art, wie wir lebten – um uns herum war so viel Luxus, dass wir ihn überhaupt nicht mehr zu schätzen wussten.
»Viel zu viel von allem, und noch dazu das Falsche.«
»Genau. Ich glaube, dass wir für Luxus arbeiten, dass er uns nicht einfach in den Schoß fallen sollte.« Er grinste verschmitzt. »Es gab aber einen Moment, da dachte ich, den Menschen hier sollte doch mal etwas Luxus in den Schoß fallen, für den sie nicht kämpfen mussten.«
»Ach ja, wann war das?«
»Ich glaube kaum, dass man das als Maßlosigkeit bezeichnen könnte. Wir hatten im letzten Jahr einen langen, nassen Herbst. Im Dezember war es dann wirklich matschig und eklig, aber nicht besonders kalt.«
»Die globale Erwärmung? Ich wünschte wirklich, die wäre unsere einzige Sorge.«
»Ja. Was ich sagen will, ist, dass alle irgendwie deprimiert waren. Also habe ich mich eines Nachts rausgeschlichen. Ich bin sicher, Jack hätte mich ausgeschimpft, weil ich Batterien verbrauchte und riskierte, verletzt zu werden, aber ich musste es einfach versuchen. Ich kannte mich nicht sonderlich gut aus, weil ich die meiste Zeit zu krank gewesen war, um mit auf Beutezug zu gehen, aber immerhin habe ich die Überreste eines größeren Ladens gefunden. Die Toten schienen in dieser Nacht besonders gefügig zu sein und machten mir bereitwillig den Weg frei, als ich in ihr kleines Schloss, in ihre Gruft, eindrang. Sie wichen nicht einfach nur vor mir zurück, sie waren schon beinahe unterwürfig. Ich weiß, dass das verrückt klingt, aber vielleicht ist es ja möglich, selbst sie ein Gefühl des Friedens spüren zu lassen, unter den richtigen Umständen. Ich habe alle möglichen Sachen in einen riesigen Sack gepackt und ihn hierhergeschleppt. Alles in allem hatten wir kein übles Weihnachtsfest.«
Ich lächelte. Milton hatte mal wieder ein recht absurdes Bild gemalt – der Weihnachtsmann trampelte durch lebende Leichen und hatte einen Sack voller Geschenke dabei, die er in den Ruinen eines riesigen Supermarktes zusammengesammelt hatte. Aber auch das hatte in einer Welt, in der unerbittliche Hässlichkeit und Brutalität an der Tagesordnung waren, einen gewissen Charme, eine Art bescheidener Schönheit und Größe, die man nicht leugnen konnte.
»Aber, abgesehen von dieser einen Nacht, bin ich dennoch der Ansicht, dass wir in unserer alten Welt viel zu sehr verwöhnt wurden. Ich wünsche mir eine Welt, in
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