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Dylan & Gray

Dylan & Gray

Titel: Dylan & Gray Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katie Kacvinsky
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Reality-Sendungen guckt. Er hat mir gesagt, wie leid es ihm tut, und dass ich jederzeit zu ihm kommen kann, wenn ich jemanden zum Reden brauche. Außerdem hat er mich zur Bibelstunde eingeladen.
    Das ganze Team weiß, warum ich erst jetzt, ein Jahr später, aufgetaucht bin. Ich nehme es ihnen nicht übel, dass sie das Thema vermeiden. Schließlich passt Amandas Tod kaum zu dem üblichen Gesprächsstoff im Umkleideraum. Aber ich bin Todd dankbar für sein Angebot. Falls mir alles zu viel wird, kann ich darauf zurückkommen. Ich hoffe, dass ich Todd nicht brauchen werde.
    Die Mädchen auf dem Campus würden mir gerne jeden Wunsch von den Augen ablesen. Ich bin Frischfleisch und sie geben überdeutlich zu verstehen, dass sie an mir knabbern möchten. Besonders Amber McCaphrey – Studentin im zweiten Semester und Mitglied des Volleyballteams – schwänzelt ausgiebig um mich herum. Kaum war ich eingezogen, hat sie mir einen Willkommensbesuch abgestattet und mir eine Campusführung angeboten. Sie zeigte mir die Unigebäude, die Bibliothek, ihr Wohnheim und ihr Einzelzimmer mit Bett. Idealerweise sollte jede Tour so enden, oder? Aber mein Kopf ist zu voll, um an Amber zu denken, und in meinem Herzen ist kein Platz für sie. In ihrer Nähe wird mir erst richtig bewusst, wie sehr ich Dylan vermisse. Anstatt mir zu helfen, meinen Liebeskummer zu vergessen, macht Amber es nur schlimmer.
    Die anderen im Team halten mich für irre, weil ich mir Amber entgehen lasse. Sie hat Beine, die gar nicht mehr aufhören, und einen perfekten Beachvolleyball-Körper: schlank, groß samt knackigem Hintern, der am besten nur in Stretchhöschen stecken sollte. Aber leider weiß sie das alles sehr genau. Sie benutzt ihr Arsenal an sexuellen Waffen, um zu bekommen, was sie will. Ihre Ultraminiröcke sind der beste Beweis dafür. Selbst beim Sport trägt sie Make-up und hat die Haare gestylt.
    Sie beherrscht auch das Anschmiegspiel, das ich schon erwähnt habe … flirten durch die psychologisch richtige Körperhaltung. Darin ist sie sogar extrem gut.
    Aber sie strengt sich zu sehr an. Wann immer sie an irgendeiner Spiegelfläche vorbeikommt, zupft sie ihre Frisur zurecht. Sie riecht wie eine Parfumflasche. Nichts an ihrem Aussehen ist dem Zufall überlassen. Für die meisten Leute wirkt sie wie die perfekte Schönheit. Nur für mich nicht. Denn in meinen Augen ist ein Mädchen erst dann perfekt, wenn es so ausgelassen über sich lachen kann, dass ihm sein Aussehen egal ist.
    Ich halte kaum eine Stunde durch, ohne mich zu fragen, wo Dylan jetzt steckt, wem sie ihre verrückten Geschichten erzählt, und wer sie an meiner Stelle zum Lachen bringt. Dann muss ich diese Gedanken jedes Mal schnell wegschieben, bevor ich etwas in Stücke schlage.
    ***
    Nachdem ein Monat vergangen ist, erscheint es mir langsam an der Zeit, sie anzurufen. Übrigens zum ersten Mal überhaupt. Erst in diesem Moment wird mir nämlich klar, dass wir beide noch nie miteinander telefoniert haben. Wir haben uns verliebt, hatten Sex, kennen unsere Lebensgeschichten, aber wir haben uns nie angerufen. Mit Dylan läuft wirklich alles anders herum als normal.
    Ich habe sie förmlich gezwungen, mir ihre Festnetznummer in Wisconsin zu geben, bevor sie abfuhr. Sie wollte mir allen Ernstes einreden, dass wir es dem Schicksal überlassen sollten, ob wir uns wieder begegnen. Nun gut, sie darf gerne an ihre optimistischen Tagträume glauben, solange mir mein praktischer Realismus bleibt. Ich weiß, dass man der Vorsehung nicht zu sehr vertrauen sollte. Das Schicksal bringt dich vielleicht auf den richtigen Weg oder sorgt dafür, dass du eine bestimmte Person kennenlernst. Aber den Rest musst du schon selbst in die Hand nehmen. Der Flügelschlag eines Schmetterlings kann einen Sturm entfachen, aber wenn der Falter nur faul herumsitzt, passiert überhaupt nichts.
    Ich hole den Zettel heraus, auf den Dylan die Adresse in Wisconsin und die Telefonnummer gekritzelt hat. Nachdenklich klopfe ich mit der Papierkante gegen den Nachttisch. Dann setze ich mich ins Bett, lehne mich mit dem Rücken an die Wand und tippe die Nummer ein. Eine schlichte Zahlenreihe kann mich mit der Person verbinden, die noch immer die Welt für mich bedeutet.
    Es klingelt vier Mal und ich will schon auflegen, als eine Frau sich meldet. Sie wirkt ein bisschen atemlos. Ihre Stimme klingt älter als Dylans.
    »Hallo, ich bin ein … Freund von Dylan«, sage ich, auch wenn mir diese Bezeichnung nicht ganz richtig erscheint.

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