Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dylan & Gray

Dylan & Gray

Titel: Dylan & Gray Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katie Kacvinsky
Vom Netzwerk:
ihr Kalifornien gefällt. Ich hoffe, dass sie es ganz schrecklich findet und sofort nach New Mexico ziehen will, weil sie ohne mich todunglücklich ist. Aber ich glaube, in Wirklichkeit ist Dylan gar nicht fähig, unglücklich zu sein.
    »Ich mag alle Orte, an die ich komme«, sagt sie. »Jeder Platz der Welt hat etwas zu bieten.«
    Das klingt mir dann doch zu optimistisch.
    »Also wenn du nach Sibirien ziehen müsstest, würdest du dich dann auch freuen?«
    »Klar«, sagt sie. »Ich wollte immer schon Hundeschlitten fahren. In Sibirien würde ich mir eine Blockhütte bauen, mein Essen selbst jagen, die Felle meiner Beute als Kleidung benutzen und aus den Knochen und Zähnen exotischen Schmuck herstellen, den ich verkaufe, um zu leben.«
    Ich schüttele den Kopf und seufze, denn so lächerlich die Idee auch klingt, Dylan würde wahrscheinlich damit durchkommen.
    »Wie geht es deinen Eltern?«, fragt sie. Wie immer denkt sie gleich wieder an andere Leute und vergisst sich selbst.
    Ich erzähle, dass die beiden heute eine dreistündige Radtour unternommen haben. Meine Mutter ist einem Literaturkreis beigetreten und mein Vater hat wieder mit Golf angefangen. Ihnen geht es besser. Nicht umwerfend toll, aber die Veränderung ist spürbar. Gestern Abend haben Mom und ich zusammen Trivial Pursuit gespielt, was ich eigentlich hasse. Aber Mom ist ganz verrückt danach, und für mich war es ein monumentaler Durchbruch, sie später als neun Uhr ins Bett gehen zu sehen.
    Dylans Blick tanzt an mir auf und ab, während ich rede, bis ich irritiert frage, was es denn zu sehen gibt. Sie antwortet, dass ich mehr Muskeln habe und mein Bauch viel flacher ist. Ich streiche mir über mein Sixpack und sage, das will ich auch hoffen, schließlich mache ich täglich zweihundert Liegestütze.
    Sie starrt auf meinen Bauch und dann wieder hoch zu meinem Gesicht.
    »Du bist total braun«, stellt sie fest.
    »Und du bist total blass«, sage ich, obwohl ihre Haut eher cremig weich aussieht und ich kaum die Finger von ihr lassen kann.
    »Hast du dich in einen dieser Typen verwandelt, die vor dem Spiegel ihren Bizeps trainieren?«, fragt sie.
    »Dazu habe ich schon immer gehört«, entgegne ich und sie grinst.
    »Als Nächstes lässt du dich piercen und trägst Ohrstecker mit Minidiamanten wie diese coolen Spitzensportler im Fernsehen.«
    »Nee, erst wenn ich den Werbevertrag für Coca Cola bekomme«, sage ich.
    »Falls das nicht klappt, könnten wir dir einen Job als Stringtanga-Model besorgen.«
    Ich schüttele den Kopf. »Tangas sehen aus, als würde man sich Zahnseide durch den Hintern ziehen.«
    Dylan findet meine Einstellung schade. Sie hätte mich gerne in Leopardenmuster gesehen.
    Ich verspreche, dass ich darüber nachdenken werde, auch wenn ich mich zu fett für eine Modelkarriere fühle und erst weiter an meinem Idealgewicht feilen muss.
    Dann stehen wir einfach nur da und schweigen. Dylan hält noch immer ihre Plastiktüte in der Hand. Sie legt den Kopf in den Nacken und betrachtet den Mond, der rund und voll am Himmel steht. Nach einer Weile fragt sie, ob ich das Mondgesicht eher für einen Mann oder eine Frau halte. Als ich nicht antworte, erklärt sie mir ihre Theorie, dass es sich um das Portrait eines legendären Außerirdischen namens Vorth handelt, der vor sechs Millionen Jahren die Galaxis vereinigt hat.
    Ich übergehe ihre Quasselattacke und frage, ob sie gerade unter einem Anfall von Trennungsangst leidet.
    »Vielleicht ein bisschen«, gibt sie zu. Also erkläre ich ihr, dass es in unserer modernen Zeit eine Reihe fantastischer neuer Kommunikationsformen gibt wie das Telefon und das Internet, mit denen sich dieses Problem vereinfachen lässt.
    »Jetzt bist du fies und sarkastisch«, stellt sie fest.
    »Ich habe länger nicht geschlafen.« Sie nickt, weil sie mein kompliziertes Verhältnis zum geregelten Schlaf-Wach-Rhythmus kennt.
    »Hast du an Amanda denken müssen?«, fragt sie und ich lasse sie wissen, dass mir vor allem ein anderes Mädchen durch den Kopf geschwirrt ist. Dann hebe ich eine Augenbraue und warte auf ihre Reaktion. Ich will endlich auf den Punkt kommen. Warum ist sie hier?
    Sie stellt die Plastiktüte ab und verschränkt die Hände in einer fast betenden Geste, aber ich glaube, sie ist einfach nur nervös.
    Ich mache Dylan nervös? Den Tag sollte ich mir rot im Kalender anstreichen.
    »Tut mir leid, dass ich auf Abstand gegangen bin«, sagt sie. »Ich dachte, dass es für mich leichter sein würde, aber ich

Weitere Kostenlose Bücher