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Éanna - Ein neuer Anfang

Éanna - Ein neuer Anfang

Titel: Éanna - Ein neuer Anfang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leonie Britt Harper
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nicht weit von ihr entfernt über die Trümmer des Gebäudes kletterten. Sie unterhielten sich angeregt, ohne den beiden Mädchen auf der Mauer auch nur die geringste Beachtung zu schenken. Über der mageren Schulter des einen Jungen hing ein dreckiger und so gut wie leerer Jutesack.
    »Hier ist nichts mehr zu holen«, stellte er mit enttäuschter Stimme fest. »Alles schon restlos sauber gepickt. Nirgendwo mehr auch nur ein winziges Stück Blech oder Eisen.«
    »Nicht mal ’ne Handvoll rostiger Nägel haben’se uns gelassen«, maulte der zweite, ein kleines Kerlchen mit einer Hasenscharte in der Oberlippe.
    »Komm, ziehen wir ab. Lasst uns lieber Schnee sammeln gehen«, schlug der dritte Junge vor, dessen linke Wange durch ein eitriges Geschwür entstellt wurde. »Da kommt wenigstens mehr bei rum, als hier im Schutt zu wühlen.«
    »Ja, ’ne Zelle auf Blackwell’s Island voll Ungeziefer und ’n Hammer zum Steineklopfen für ’n Jahr oder auch zwei, je nachdem welcher aufgeblasene Puderkopf auf der Richterbank sitzt!«, erwiderte der mit dem Sack grimmig. »Denk daran, wie dreckig es Jack und Bob ergangen ist!«
    »Die waren doch einfach nur zu blöd und nicht flink genug für so ’ne heiße Sache. Und wennschon!«, gab der andere achselzuckend zurück. »Schnee sammeln lohnt das Risiko allemal. Oder willst du auch heute wieder Kohldampf schieben, Rick?«
    »Mike hat recht«, pflichtete der Junge mit der Hasenscharte seinem Freund bei. »Kommt.« Gemeinsam mit seinen beiden Gefährten zog er davon.
    Éanna schaute ihnen mit gerunzelter Stirn nach.
    »Hast du das eben mitbekommen?«
    Emily nickte, öffnete die Augen und holte aus ihrer Tasche den Kanten Brot vom Vortag heraus, den sie sich für einen Cent in einer nahen Bäckerei gekauft hatten. Sie brach das etwa drei Finger breite Stück in zwei Teile und reichte Éanna das größere der beiden Stücke. »Ja, die haben hier im Schutt nach Eisen, Blech und Nägeln gesucht, um sie anschließend wohl bei einem Schrotthändler zu verkaufen. Auch eine Möglichkeit, sich ein paar Cent zu verdienen.«
    »Nein, ich meine das mit dem Schnee-sammeln-Gehen«, sagte Éanna und tauschte mit einem schnellen Griff die beiden Brotstücke aus, bevor Emily es verhindern konnte. »Hast du das verstanden? Richtigen Schnee können sie ja wohl kaum gemeint haben, wo doch jetzt der Sommer vor der Tür steht.«
    Entrüstet darüber, dass Éanna sie überlistet hatte, warf Emily ihr einen vorwurfsvollen Blick zu. Doch sie wusste, wie zwecklos jeglicher Protest bei ihrer Freundin war, und biss schicksalsergeben in ihr Brot. Wenn Éanna sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, ließ sie sich durch nichts davon abbringen.
    »Es muss ein Codewort für irgendetwas Verbotenes sein, so viel ist mal sicher«, überlegte sie kauend. »Sonst würde darauf wohl nicht Gefängnisstrafe und Steineklopfen stehen.«
    Éanna nickte. »Und wenn man dafür ein, zwei Jahre Zuchthaus aufgebrummt bekommt, muss es sich um ein schweres Delikt handeln!«
    Emilys Miene verdüsterte sich plötzlich. »Wenn wir mal nur nicht eines Tages auch dazu gezwungen sein werden, diesen Schnee zu sammeln, um wenigstens zu ein bisschen Geld zu kommen!«
    »So ein Quatsch, Emily!«, protestierte Éanna. »Noch ist längst nicht aller Tage Abend. Wir schaffen das schon, du wirst sehen!«
    »Aber jetzt haben wir uns schon dreieinhalb Tage lang die Füße in New York halb wund gelaufen und Gott weiß wie oft nach Arbeit gefragt, ohne etwas erreicht zu haben«, erwiderte Emily bedrückt. »Und Brendan ist es nicht besser ergangen.«
    »Aber das stimmt doch nicht! Brendan hat doch gestern Abend noch gesagt, dass er für heute unten im Hafen die Aussicht auf einen Job hat, wenn dieses Schiff aus Albany mit der Ladung Granitstein an Bord planmäßig eintrifft!«, hielt Éanna ihr schnell entgegen und hoffte inständig, dass es ihrem Freund tatsächlich gelungen war, den Job zu ergattern.
    Zumindest einer von ihnen würde dann endlich einmal etwas Geld verdienen! Wenn sie auch vor Emily unbedingt zuversichtlich wirken wollte, so bedrückte Éanna ihre momentane Situation insgeheim doch sehr. All ihre Versuche, Arbeit zu finden, waren bislang deprimierend erfolglos gewesen. Wo immer Emily und sie bei einer Fabrik vorstellig geworden waren, hatten vor ihnen schon Dutzende andere Mädchen und Frauen um Beschäftigung gebettelt, und zwar nicht nur irische, sondern auch deutsche, italienische und polnische Einwanderer und solche, deren

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