Eanna - Stürmische See - Éanna ; [2]
zeigten sogleich ihre Wirkung. Éanna spürte, wie ihr Herz wieder leicht und frei wurde, und sie nickte, als er ihr versicherte: »Über diese dummen Anmachen geht man am besten mit einem Lachen hinweg. Ich will mit diesen Frauen wirklich nichts zu schaffen haben, das kannst du mir glauben. Aber ich verurteile sie auch nicht. Schließlich versuchen sie nur, durchs Leben zu kommen. Mit uns beiden hat dieser Vorfall rein gar nichts zu tun und wir sollten uns nicht den gemeinsamen Abend verderben lassen.«
Mit Tränen in den Augen sah sie ihn an. »Ich liebe dich von ganzem Herzen, Brendan. Es tut mir leid, dass ich dich meine dumme Eifersucht habe spüren lassen«, entschuldigte sie sich leise.
»Dann lass uns nicht mehr darüber reden, meine stolze wilde Rose«, sagte er zärtlich, strich ihr über die Wange und gab ihr einen Kuss. »So, und jetzt wird nicht geweint, sondern bei Brannigan’s an der Guild Street ein schöner heißer Tee getrunken. Und ein paar Schmalzgebackene müssen heute auch noch drin sein. Man kann nicht immer nur sparen!«
»Das klingt fabelhaft. Auch wenn ich mir eigentlich gar nichts anderes mehr zu wünschen brauche. Ich hab ja dich«, sagte sie leichthin. Doch sie meinte es aus tiefstem Herzen.
Er hob den Zeigefinger. »Halt, das stimmt nicht! Du hast da etwas Wichtiges unterschlagen! Nämlich Amerika und die Morgen Land, die wir uns irgendwann in Wisconsin kaufen werden!«
Damit brachte er Éanna wieder zum Lachen. Aber sosehr sie sich auch in Brannigan’s Teestube bemühte, das Zusammentreffen mit Caitlin zu vergessen, so wollte ihr Letzteres doch nicht gelingen.
Fünfzehntes Kapitel
Eine Stunde später machten sie sich auf den Heimweg. Brendan brachte Éanna bis nach Hause in die Ash Street. Er folgte ihr in den dunklen Flur, wo sie unter dem noch finsteren Treppenaufgang Küsse und Zärtlichkeiten austauschten. Beiden fiel es unendlich schwer, voneinander zu lassen und sich für den Tag zu trennen.
Und als Éanna die Treppe hinaufstieg, war sie trotz aller sehnsüchtigen Gefühle dankbar für die Umstände, die dazu geführt hatten, dass sie nicht ein Zimmer mit Brendan teilte, sondern zusammen mit Emily bei Alice zur Untermiete wohnte.
Nacht für Nacht aneinandergeschmiegt in einem Bett zu liegen hätte eine Versuchung dargestellt, der sie beide sicher nicht hätten widerstehen können. Und da Emily bei ihrem kargen Lohn in der Spinnerei weiterhin darauf angewiesen war, dass Éanna die Untermiete mit ihr teilte, hatte sie gegenüber Brendan eine gute Entschuldigung, warum es erst einmal bei ihrer räumlichen Trennung bleiben musste. Dass Brendan sie bisher nicht gedrängt hatte, es Emily zu überlassen, mit wem sie ein Zimmer teilte, rechnete sie ihm hoch an.
Das Essen, das Éanna und Emily an diesem Abend in der Küche der Stapletons genossen, war einfach und nicht sonderlich schmackhaft. Dabei brachte Alice zu Kartoffeln und ein wenig Kohl einen halben gekochten Schweinskopf auf den Tisch. Neben gebratenen Schweinefüßen war das einer der wenigen Leckerbissen, den sie sich bei ihrem Einkommen gerade noch leisten konnten. Aber es fehlte arg an der nötigen Würze.
Sobald es die Höflichkeit erlaubte, zogen sich die beiden Freundinnen in ihre kalte Kammer zurück und legten schnell ihre Kleidung ab. Dabei berührte Éanna verstohlen das feine Spitzentaschentuch in ihrer inneren Manteltasche. Gerne hätte sie es ihrer Freundin gezeigt, die es sicherlich gebührend bewundert hätte. Aber irgendwie erschien es ihr klüger, Patricks Geschenk auch vor Emilys Augen verborgen zu halten. Nicht weil sie Zweifel an deren Verschwiegenheit gehabt hätte, sondern um ihre Treffen mit Patrick nicht wieder zum Thema zu machen.
Als sie unter den klammen, muffigen Decken lagen, berichtete sie ihrer Freundin flüsternd von ihrer Begegnung mit Caitlin.
»Das wundert mich gar nicht, dass Caitlin sich so unmöglich aufgeführt hat … und dass sie anschaffen geht«, sagte Emily und räusperte sich. An manchen Tagen verfolgte sie der quälende Husten, den sie aus der Fabrik mitbrachte, bis in die Nacht. »Ich könnte sie mir auch nicht bei uns in der Fabrik oder als Tugger vorstellen. Jemand wie sie sucht sich immer den leichtesten Weg. Und seltsamerweise kommen Leute wie Caitlin damit auch durch. Das gibt einem manchmal schon zu denken. Und ich frage mich gerade, wer von uns dreien die Klarsichtigere ist und wer zu den Dummen gehört.« Wieder hustete sie.
»Emily! Das kann doch nicht dein
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