Eanna - Stürmische See - Éanna ; [2]
wurden allein von einer Frage beherrscht: Was konnte sie bloß für ihre Freundin tun?
Sechzehntes Kapitel
In der darauffolgenden Nacht machte Éanna kein Auge zu, denn Emily hustete sich die Seele aus dem Leib. Und irgendwann zwischen Mitternacht und Morgengrauen fasste Éanna einen Entschluss. Er war verzweifelt, das musste sie zugeben, doch ihr fiel nichts anderes ein.
Ebenezer Lahiffe zeigte sich sichtlich überrascht, sie zum ersten Mal so früh und auch nur mit halb vollem Karren vor seinem Laden eintreffen zu sehen. Er stellte ihr jedoch keine Fragen und zahlte ihr rasch die zehn Pence aus, die ihr eingesammeltes Gelumpe gerade mal wert war. Er sah ihr die Unruhe an, die sie erfüllte.
Voller Bangen, Patrick vielleicht gar nicht in seinem Refugium anzutreffen, eilte sie durch die Südstadt Dublins, hastete über die Brücke und die Sackville Street hinauf in die Dorset Street. Sie war völlig außer Atem, als sie endlich in die Dorset Street einbog und Augenblicke später das Wohnhaus erreichte. Dennoch nahm sie auch die Treppen hinauf in den dritten Stock, im Eilschritt und mit wehendem Umhang, und stand dann endlich vor der Tür.
Doch bevor sie anklopfen konnte, hörte sie aus der Wohnung erregte Stimmen. Patrick hatte offenbar Gäste. Und es war nicht zu überhören, dass er sich mit seinem Besuch stritt.
»Und ich sage euch noch einmal, dass es mich nicht interessiert, was ihr euch dabei gedacht habt!«, hörte sie seine wütende Stimme durch die Tür. »Verdammt noch mal, das war damals doch nur so dahergeredet! Es wäre mir nie in den Sinn gekommen, dass ihr das für bare Münze nehmen und in die Tat umsetzen würdet! Warum habt ihr nicht erst mit mir darüber gesprochen, bevor ihr das Zeug besorgt habt?«
»Du willst doch jetzt bloß kneifen, weil du ein verdammter Maulheld bist und nicht den nötigen Mumm aufbringst, deinem hochtrabenden Gequatsche und Geschreibsel endlich einmal Taten folgen zu lassen!«, antwortete ihm darauf eine nicht weniger wütende Stimme, die Éanna als die des Brillenträgers Delaney wiedererkannte.
»Wenn ich ein Maulheld bin, seid ihr ausgemachte Schwachköpfe!«, donnerte Patrick zurück. »Als ob ihr damit auch nur irgendetwas bewirken könntet, was das Risiko wert wäre! Ihr müsst nicht ganz bei Trost sein, das zu glauben!«
»Es ist zumindest ein deutliches Zeichen und eine Warnung an die verfluchten Engländer!«, mischte sich da eine dritte erregte Stimme ein, die dem flaumroten Backenbart McGraw gehörte.
»Was ihr vorhabt, wird kein Zeichen sein, das auch nur einen Deut an Irlands Unterdrückung ändert, sondern euch geradewegs ins Gefängnis bringen«, prophezeite Patrick ihnen barsch. »Mein Gott, habt ihr denn auch gar nichts aus unserer blutigen Geschichte gelernt, ihr Einfaltspinsel? Wenn ihr glaubt, damit zu Helden zu werden, dann irrt ihr euch gewaltig. Die Helden, die unser Land braucht, müssen aus einem ganz anderen Holz geschnitzt sein als ihr!«
»Das wird sich ja zeigen, du Feigling!«
»Das trifft mich nicht, Lovett! Und jetzt will ich kein Wort mehr von dem hirnrissigen Plan hören! Auf mich könnt ihr jedenfalls nicht zählen und dabei bleibt es«, antwortete Patrick entschieden. »Seht zu, dass ihr das verdammte Zeug so schnell wie möglich wieder loswerdet, bevor es euch zum Verhängnis wird! Und mehr ist dazu nicht zu sagen. Also lasst euch nicht länger aufhalten.«
Einen Moment lang herrschte Stille hinter der Tür. Dann hörte Éanna polternde Schritte. »Wir sprechen uns noch, Patrick O’Brien!«, versicherte Delaney drohend.
Éanna trat hastig von der Tür zurück, die nun jeden Moment aufgehen musste. Sie huschte den kurzen Gang hinunter und erklomm die Stufen, die hinauf in das nächste Stockwerk führten. Gerade befand sie sich auf halber Treppe, als unten die Tür aufgerissen wurde. Schnell kauerte sie sich auf den Absatz und presste sich in den Schatten der Wand.
Voller Wut und mit einem Knall ließ Delaney die Tür hinter sich ins Schloss fallen. »Verdammter besserwisserischer Waschlappen!«, fluchte er wutentbrannt. »Erst nimmt er das Maul so voll, und wenn es dann ernst werden soll, versteckt der Feigling sich hinter seinen Büchern und seinem blödsinnigen Gekritzel! Mit dem Kerl bin ich fertig!«
»Ja, aber was machen wir jetzt?«, hörte Éanna McGraw besorgt fragen. »Er weiß doch alles! Und wer garantiert uns, dass er den Mund hält und nicht auf dumme Gedanken kommt? Nach dem, was er uns da gerade an den Kopf
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