Eanna - Stürmische See - Éanna ; [2]
Sonntag einige dieser Bücher überlassen, damit ihr sie in New York für gutes Geld verkaufen könnt. Ich würde sie so oder so verschenken. Denk darüber nach, Éanna. Bitte!« Und bevor sie wusste, wie ihr geschah, und sie noch ein Wort des Dankes murmeln konnte, hatte er sie auch schon zur Tür hinausgeschoben und sie hinter ihr geschlossen.
Éanna brauchte lange, bis sie an diesem Nachmittag den Mut fand, die Geldbörse zu öffnen und nachzuschauen, wie viel Geld sie enthielt. Und dafür kam für sie kein anderer Ort infrage als die Stille und das Halbdunkel einer Kirche, wo sie sicher sein konnte, dabei nicht beobachtet zu werden.
Ihre Finger zitterten so sehr, dass sie Mühe hatte, den Knoten der Lederschnüre zu öffnen, die den Beutel verschlossen hielten. Endlich hatte sie es geschafft. Mit angehaltenem Atem griff sie hinein. Sie fühlte eine kleine Rolle Geldscheine und ihr Herz begann zu jagen, als sie die Geldnoten auseinanderfaltete und sah, welche Summe sie da in ihren Händen hielt.
Es waren fünfzehn Pfund! Mit ihren eigenen Ersparnissen war das mehr als genug für zwei Passagen im Unterdeck eines Auswandererschiffes!
Achtzehntes Kapitel
Brendan hielt es erst für einen Scherz. Doch als er das Leuchten in ihren Augen bemerkte, blieb ihm das Lachen im Hals stecken. »Was hast du in der abgewetzten Weste gefunden?«, stieß er ungläubig hervor. »Das kann nicht sein!«
»Es ist aber wahr!«, erwiderte sie und hielt ihm ihre eigene Börse aus Stoff hin. Patricks Lederbeutel hatte sie wohlweislich auf der Kirchenbank liegen gelassen. »Hier, überzeug dich selbst davon. Es sind fünfzehn Pfund auf den Penny genau!«
Entgeistert sah er sie an. »Allmächtiger!«, murmelte er und wurde ganz blass im Gesicht. »Das ist ja …« Ihm fehlten die Worte und er schüttelte fassungslos den Kopf.
Wenig später saßen sie bei Brannigan’s an einem der hintersten Ecktische. Und kaum hatten sie ihren Tee vor sich stehen, als Brendan sie auch schon drängte, ihm alles über ihren unglaublichen Fund zu erzählen.
Noch lange hatte Éanna in der Kirche gesessen und sich überlegt, wie sie ihren angeblichen Fund erklären konnte.
»Viel gibt es da eigentlich gar nicht zu erzählen«, sagte Éanna und brauchte ihre Aufregung nicht vor ihm zu verbergen. Unter diesen Umständen war sie ja nur zu verständlich. »Ich habe die alte wattierte Seidenweste schon gestern mit einem ganzen Bündel von anderen Altkleidern bekommen. Und zwar unten im Süden an der Küste, als ich kurz vor Dun Laoghaire von meiner üblichen Route abgewichen bin. Da stieß ich dann auf ein stattliches Landhaus, wo ein junger englischer Landjunker gerade den Haushalt auflösen ließ, um das Anwesen zu verkaufen, wie ich den Bemerkungen der Bediensteten entnehmen konnte. Und in dem Bündel, das er mir achtlos in den Karren werfen ließ, fand ich später beim Durchsehen ebendiese alte Seidenweste mit dem Monogramm.«
Éanna wollte schon von vornherein jeglichen Zweifel daran ausräumen, dass es sich um das Geld vermögender Leute handelte. Denn die würden es schließlich nicht vermissen.
»Ich habe die Weste nicht mit dem anderen Plunder bei Mister Lahiffe abgegeben, sondern für mich behalten, weil ich Neill damit eine Freude machen wollte«, fuhr Éanna fort. »Aber bevor sie der Junge bekommen sollte, habe ich sie noch ein wenig ausgebessert und einige der Risse im Stoff zugenäht. Und dabei bin ich auf die Geldscheine gestoßen. Sie müssen wohl aus der Seitentasche, die unten aufgerissen war, zwischen die Wattierung gerutscht sein. Und wer immer jener Herr gewesen sein mochte, dem diese Seidenweste mit dem Monogramm R.M.S. gehörte, er musste schon vor langer Zeit vergessen haben, dass er einmal diese Geldscheine in die Seitentasche gestopft hatte. Und das ist schon die ganze Geschichte.«
Brendan konnte es noch immer nicht so recht glauben, dass sie angeblich durch eine Laune des Schicksals in den Besitz von fünfzehn Pfund gelangt waren.
»Mein Gott, Éanna! Was hat mir das Schicksal doch für einen unglaublichen Glückspilz geschenkt! Womit habe ich dich bloß verdient? Jetzt können wir nach Amerika auswandern!« Er ergriff ihre Hände über den Tisch hinweg und drückte sie, sichtlich überwältigt, dass vorerst alle Sorgen ein Ende hatten und der Verwirklichung ihres sehnlichsten Wunsches nun nichts mehr im Wege stand.
»Ja, es ist ein wunderbares Geschenk«, erwiderte sie und dachte dabei an Patrick, dem sie das zu verdanken
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