Eanna - Stürmische See - Éanna ; [2]
Letztlich wird seine Liebe doch stärker sein und alles wird wieder ins Lot kommen.«
»Ach Emily, wenn ich nur daran glauben könnte.« Éanna wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. »Brendan ist so dickköpfig und stolz.«
»Und wennschon. Seine Liebe wird ihn schon zur Vernunft bringen. Außerdem will er doch auch mit der Metoka nach Amerika. Du wirst sehen, es wird alles wieder gut!«, redete Emily ihr zu.
Aber es wurde nicht gut. Am nächsten Morgen lief Éanna schon im Morgengrauen in die Cross Stick Alley, traf dort jedoch weder Brendan noch Aidan an. Auch im Hafen war Brendan nicht aufzufinden. Auf den Kohlenkais erfuhr sie von einem der Männer aus seiner Kolonne, dass er seit dem vorherigen Tag nicht mehr zur Arbeit erschienen war.
Den ganzen Tag lief sie durch die Stadt, immer in der Hoffnung, ihm zufällig zu begegnen. Als sie am Abend zum wiederholten Mal in die Cross Stick Alley ging, traf sie zumindest auf Aidan.
Dieser bedachte sie mit einem wenig mitfühlenden Blick. »Keine Ahnung, wo Brendan steckt. Aber warum versuchst du es nicht mal bei dieser Caitlin drüben im Ross und Reiter? Da dürftest du mehr Glück haben«, schlug er ihr spöttisch vor und ließ sie mit einem dreckigen Lachen stehen.
Ihr war, als hätte er ihr mit seinen Worten ein Messer in die Brust gestoßen.
Nachdem sie sich wieder einigermaßen gefasst hatte, war sie drauf und dran, sich tatsächlich der Demütigung auszusetzen, Caitlin in der zwielichtigen Taverne aufzusuchen und sie nach Brendan zu fragen. Sie wagte sich bis in die Straße, in der die Hafenschenke lag. Aber dann brachte sie es doch nicht über sich, sie zu betreten. Was hätte es ihr denn auch gebracht? Caitlin war die Letzte, die Mitleid mit ihr haben und ihr helfen würde. Und falls Brendan wirklich bei ihr war, würde er sie kaum in das Zimmer der Dirne lassen und sich anhören, was sie ihm sagen wollte.
Éanna trieb sich die halbe Nacht vor der Taverne herum und dann noch bis weit nach Mitternacht vor dem Mietshaus in der Cross Stick Alley. Doch von Brendan keine Spur.
Er schien konsequent die Orte zu meiden, an denen sie ihm hätte begegnen können. Einen Tag vor der Abreise nach Amerika musste Éanna den Tatsachen ins Auge sehen. Brendan dachte nicht daran, sich mit ihr zu versöhnen und sich mit ihr auf der Metoka einzuschiffen. Er wollte in Amerika kein neues Leben beginnen, jedenfalls nicht mit ihr.
»Er lässt dich nur noch eine Nacht leiden. Pass auf, morgen wartet er an der Anlegestelle auf dich und dann kommt alles wieder ins rechte Lot«, sagte Emily, um ihr Mut zu machen.
»Nein, das wird er nicht!«, widersprach Éanna. »Wenn er sich mit mir hätte versöhnen wollen, hätte er es längst getan. Und deshalb wirst du morgen mit mir an Bord der Metoka gehen!«
»Bist du von Sinnen? Das kannst du nicht machen! Darauf lasse ich mich auch nicht ein!«, rief Emily geradezu erschrocken. »Das sind eure Tickets!«
»Nein, es sind meine , Emily! Bezahlt von meinem Dirnenlohn, falls du das vergessen haben solltest«, antwortete sie voll Bitterkeit. Zu ihrer Verzweiflung waren nun auch Zorn und Trotz gekommen. »Und deshalb kann ich damit tun und lassen, was ich will! Wenn Brendan mich so wenig liebt, dass er den Stab über mich bricht, ohne mich auch nur ein einziges Mal in Ruhe anzuhören, dann soll es wohl so sein! Vielleicht ist es gut so, dass ich nicht erst später erkennen muss, wie sehr ich mich in ihm getäuscht habe. Und damit ist alles gesagt, was es dazu zu sagen gibt, Emily. Mein Entschluss steht fest. Das zweite Ticket ist für dich. Du kannst dich jetzt so sehr sträuben, wie du willst, du kommst morgen mit auf die Metoka, so wahr ich Éanna Sullivan heiße.«
Zweiundzwanzigstes Kapitel
Am nächsten Morgen brachte Éanna kaum einen Bissen hinunter. Und nur weil Emily sie drängte, sich nicht mit leerem Magen auf der Metoka einzuschiffen, nahm sie ein wenig Porridge zum Tee.
Alice Stapleton und ihre beiden älteren Töchter blickten neidisch auf die zwei jungen Frauen. Von Auswanderung konnten sie nur träumen. Nie würde Alice genug Geld für vier Tickets sparen können, auch wenn Kinder unter vierzehn nur den halben Preis zahlten. Für sie war es nur ein schwacher Trost, dass Éanna ihr die volle Untermiete für die folgende Woche auszahlte.
Éanna und Emily klemmten sich ihre fest zusammengeschnürten Deckenrollen unter den Arm. Éanna nahm Patricks Buchpaket in die Hand und Emily den Nachttopf, den sie unter allen
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