Eanna - Stürmische See - Éanna ; [2]
das für sein Buch brauchte. Ich schwöre beim Grab meiner Mutter und allen, die mir lieb und teuer waren, dass ich dich nicht betrogen habe.«
Abrupt blieb er stehen, fuhr zu ihr herum und starrte sie mit grauer, verkniffener Miene an. »Du willst wahrhaftig hoch und heilig schwören, dass du dich fast drei Monate lang heimlich mit diesem Stutzer getroffen und ihm nur irgendwelche Geschichten erzählt hast?«, fragte er höhnisch.
So genau Éanna auch wusste, dass es ihre Lage noch schlimmer machen musste, jetzt musste sie endlich die Wahrheit sagen. Sie durfte nicht noch einmal den Fehler machen, Brendan zu belügen. »Mister O’Brien hat … hat mir heute einen Kuss zum Abschied gegeben!«, sagte sie ehrlich, fügte aber sofort hinzu: »Ich habe ihn nicht dazu aufgefordert, sondern es ist einfach geschehen, das musst du mir glauben! Sonst war nichts zwischen uns!«
»Ich glaube dir gar nichts mehr!«, stieß er hervor. »Noch vor wenigen Augenblicken hast du geschworen, dass nichts gewesen sein soll! Und nun gibst du zu, dass du dich von ihm hast küssen lassen. Gott allein weiß, mit welchen schmutzigen Geständnissen du noch herausrücken wirst! Da lob ich mir eine ehrliche Dirne wie Caitlin. Bei der weiß man, was einen erwartet, wenn man sich mit ihr einlässt! Die steht wenigstens zu dem, was sie tut, und versucht nicht, einem Sand in die Augen zu streuen!«
»Aber …«
»Nein, spar dir deine Lügen, Éanna! Mir reicht es!« Er schrie sie nun regelrecht an, das Gesicht zu einer Maske unbändiger Wut verzerrt. »Ich will nichts mehr davon hören, hast du das endlich begriffen? Ich habe dir nichts mehr zu sagen! Ich will nichts mehr mit dir zu tun haben und dich auch nicht wiedersehen!«
Er drehte sich auf dem Absatz um und rannte los.
»Brendan, ich liebe dich doch! Nur dich!« Ungläubiges Entsetzen darüber, dass er es wirklich ernst meinen könnte, lag in ihrem verzweifelten Aufschrei.
Doch Brendan rannte unbeirrt weiter.
Éanna versuchte verzweifelt, ihm zu folgen. Aber es war sinnlos, ihn einholen zu wollen. Schon war er im Menschengewimmel verschwunden. Sie machte noch zwei, drei taumelnde Schritte, dann konnte sie nicht mehr. Ihre Beine versagten ihr den Dienst. Und von einer unsäglichen Verzweiflung überwältigt, sank sie schluchzend auf das regennasse Pflaster und überließ sich dem heftigen Weinkrampf, der ihren Körper schüttelte.
Sie hatte Brendan und seine Liebe verloren!
Und es war einzig und allein ihre Schuld.
Einundzwanzigstes Kapitel
Éanna konnte sich später nicht mehr daran erinnern, wie lange sie dort auf dem Boden gekauert hatte. Irgendwann war sie aufgestanden und wie betäubt durch die Stadt geirrt.
Emily fand sie am frühen Abend weinend auf dem Bett ihrer Kammer. Und es kostete ihre Freundin viel Geduld und gutes Zureden, bis Éanna ihr alles erzählt hatte. Sie beichtete ihr, woher die fünfzehn Pfund wirklich kamen, und unterschlug ihr auch nicht Patricks innigen Kuss, behielt jedoch für sich, welchen Aufruhr der Gefühle er in ihr ausgelöst hatte.
Bestürzt hörte Emily ihrem stammelnden Bericht zu, der immer wieder von neuen Weinkrämpfen unterbrochen wurde. Und nachdem sie alles erfahren hatte, war sie versucht, die Freundin daran zu erinnern, dass sie ihr schon im Januar davon abgeraten hatte, die Treffen mit Patrick vor Brendan geheim zu halten. Sie tat es jedoch nicht. Denn sie wusste, dass Éanna sich längst schreckliche Vorwürfe machte.
»Ich kann nicht glauben, dass alles verloren ist«, versuchte sie, die Freundin zu trösten. »Brendan liebt dich doch.«
»Nein, nicht mehr«, schluchzte Éanna. »Er will nichts mehr von mir wissen! Er hat mich sogar geohrfeigt! Niemals hätte ich es für möglich gehalten, dass er mich einmal schlägt! Mein Vater hat nie seine Hand gegen meine Mutter erhoben!«
Emily seufzte. »Das hätte er auch nicht tun dürfen. Damit hat er sich versündigt. Aber das wirst du ihm verzeihen müssen.«
»Aber es geht doch gar nicht darum, ob ich ihm verzeihe, sondern ob er es tut!«, erwiderte Éanna verzweifelt.
»Das wird er bestimmt«, gab Emily sich zuversichtlich. »Glaub mir, er ist jetzt tief verletzt, weil er sich von dir betrogen fühlt und weil Caitlin, dieses Miststück, ihm Gott weiß was für schreckliche Geschichten erzählt hat. Aber wenn sein Zorn sich erst einmal gelegt hat und er in Ruhe über alles nachdenkt, wird er dich anhören. Du bedeutest ihm viel zu viel, als dass er dich einfach aufgeben würde.
Weitere Kostenlose Bücher