Eanna - Stürmische See - Éanna ; [2]
noch unter das untere Brettergestell.
»Diese Kojen entsprechen nicht den gesetzlichen Vorschriften, Seemann! Und mit denen kenne ich mich aus!«, protestierte ein hochgewachsener Mann, der unter der niedrigen Decke nur gebückt stehen konnte. Er musste Zimmermann oder Schreiner sein, denn er hatte aus seinem mitgebrachten Werkzeugkasten eine Messlatte hervorgeholt und die Kojen ausgemessen. »Je vier Personen stehen sechs mal sechs Fuß* zu, so verlangt es das Gesetz! Und die Weite dieser Kojen beträgt gut drei bis vier Inch weniger als die durchschnittliche Rückenbreite eines erwachsenen Mannes! Ich verlange für mein Geld, dass ich auch den Raum erhalte, der mir zusteht!«
Zustimmendes Gemurmel erhob sich um ihn herum. Und jemand bemerkte bissig: »Vermutlich nimmt der Captain ja an, dass irische Auswanderer nur auf der Seite liegend schlafen!«
Einer der Seeleute schnauzte den Mann mit der Messlatte an: »Du kennst dich aber nicht gut genug mit den Vorschriften aus, du Krawallbruder! Denn sonst wüsstest du, dass Schiffe, die Post der Royal Mail transportieren, von diesen Vorschriften befreit sind. Und glaub mir, die Metoka hat ein paar Postsäcke an Bord! Also halt gefälligst dein Maul! Und lass dir noch eins gesagt sein: Mit Unruhestiftern wie dir fackelt Captain Crimshaw nicht lange!«
Der Mann warf dem Matrosen einen wütenden Blick zu, war jedoch klug genug, seinen Zorn hinunterzuschlucken und es nicht auf eine weitere Konfrontation ankommen zu lassen.
Auch unter den anderen Passagieren regte sich Unmut. Einige Frauen und Mädchen schluchzten verzweifelt auf, denn es gab keine Möglichkeit, sich vor neugierigen Blicken zu schützen. Die Kojen standen dicht an dicht, nur notdürftig getrennt durch niedrige Latten, die verhindern sollten, dass man bei Seegang in die Nachbar-Koje rollte. Man brauchte lediglich die Hand auszustrecken, schon konnte man die Schulter des Nachbarn berühren.
So manche junge Frau beteuerte, ihre Kleidung stets anbehalten zu wollen und lieber jede Nacht sitzend auf ihrer Kiste zu verbringen, als Schulter an Schulter mit einem Fremden in der Koje zu liegen.
»Wenn die wüssten«, kommentierte jemand, »dass es für uns alle oben am Bugsprit nur ganze zwei Wasserklosetts gibt. Und dass man da zwangsläufig von der hochspritzenden Gischt durchnässt wird.«
Éanna überhörte den zynischen Kommentar. Ihre Gedanken waren noch immer einzig und allein bei Brendan. Wo war er bloß? Was war in der letzten Nacht mit ihm passiert? Schließlich hielt sie es nicht länger in ihrer Koje aus.
»Wo willst du hin?«, fragte Emily, obwohl sie längst ahnte, was Éanna vorhatte.
»Mich umsehen.«
»Warte noch ein wenig«, versuchte Emily, sie zurückzuhalten. »Lass Brendan Zeit. Wo er doch mit Caitlin zusammen …« Sie ließ den Satz unbeendet.
Aber da war Éanna schon im Gedränge verschwunden. Sie musste Brendan sehen und irgendwo hier im Zwischendeck musste er ja sein!
Schließlich fand sie ihn und Caitlin auf dem Gang, der die beiden Kojenreihen an Backbord voneinander trennte. Als sie sich zu ihnen vordrängte, sah sie, dass sich die beiden heftig stritten. Sie standen einander schräg gegenüber, eines der Brettergestelle zwischen sich.
»Was soll das? Du hast es mir versprochen, Brendan!«, hörte sie Caitlin erbost sagen. »Also sag diesem blöden Pickelgesicht da, dass er gefälligst seinen Strohsack nimmt und mir den Platz neben dir überlässt!«
»Gar nichts habe ich dir versprochen!«, gab Brendan knurrig zurück. »Ich bleibe hier. Ich kann mir ja wohl noch meinen Kojenplatz aussuchen, wo ich will!«
Caitlin funkelte ihn zornig an. »Du scheinst wohl schon vergessen zu haben, wem du es zu verdanken hast, dass du nach Amerika auswandern kannst, Brendan Flynn!«, zeterte sie.
»Und du scheinst das hier vergessen zu haben!«, erwiderte Brendan ungehalten und deutete auf sein zugerichtetes Gesicht. »Mir ist das Ticket nicht in den Schoß gefallen, ganz im Gegensatz zu dir. Und das kannst du ruhig wörtlich nehmen! Und jetzt hör endlich auf mit deinem Gegeifer! Ich bleibe hier und damit Schluss jetzt!«
Éanna fühlte Genugtuung bei diesen Worten. Caitlin hatte wohl fest damit gerechnet, dass Brendan auf der Überfahrt einen Kojenkasten mit ihr teilte. Dass er zumindest räumlich auf Distanz zu ihr ging, weckte einen Funken Hoffnung in ihr.
Caitlin bemerkte Éanna zuerst. »Was lungerst du hier herum?«, fauchte sie. Von ihrem höhnischen Triumph, mit dem sie ihr oben
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