Eanna - Stürmische See - Éanna ; [2]
Aber das musste ich ihm ja nicht auf die Nase binden, oder? So, und jetzt geh zu deinen Leuten zurück und sei guter Hoffnung, dass Captain Crimshaw zur Einsicht kommt, dass er gar keine andere Alternative hat, als euch endlich zu geben, was euch zusteht!«
Es kam, wie er es vorausgesagt hatte. Ungläubiges Staunen und dann noch größere Erleichterung erfasste die Auswanderer aus dem Zwischendeck, als der Erste Offizier wenige Stunden später verkündete, dass es wegen der ausgefallenen Rationen während der Sturmtage nun doch eine Sonderzuteilung geben werde.
»Captain Crimshaw hat diese Entscheidung aus Großmut getroffen! Und nicht etwa, weil ihr Anspruch darauf hättet oder weil ein Krawallschläger die Unverschämtheit gehabt hat, mit einem wertlosen Stück Papier zu wedeln und zu krakeelen!«, stellte er jedoch klar, um es dann auch nicht an einer weiteren scharfen Drohung fehlen zu lassen. »Die milde Strafe, die dieser Mann erhalten hat, wird nichts sein im Vergleich zu der, die dem droht, der versucht, die Autorität von Captain Crimshaw infrage zu stellen. Es wird keine Gnade geben, merkt euch das! Wer aufwiegelt oder sich einer Meuterei anschließt, wird hängen!« Er ließ die mit eisiger Stimme und Miene ausgesprochene Warnung einige Sekunden lang verklingen. Dabei glitt sein eisiger Blick langsam über die Gesichter der vor ihm Versammelten, als wollte er jedem einzelnen von ihnen seine letzten Worte ins Gehirn brennen. Dann erst wandte er sich abrupt ab und gab den Seeleuten das Zeichen, mit der Austeilung zu beginnen.
Sie fiel noch viel üppiger aus, als Éanna und ihre Leidensgefährten es erhofft hatten.
»Mein Gott, du hast es wirklich geschafft!«, sagte Emily und lachte über das ganze Gesicht. »Du hast Crimshaw in die Knie gezwungen!«
»Sei bloß still!«, flüsterte Éanna ihr zu. »Kein Wort, verstanden? Zu niemandem! Außerdem haben wir das nicht mir zu verdanken, sondern in erster Linie Mister O’Brien! Wenn er nicht gewesen wäre, hätte Crimshaw mich doch in Ketten legen oder mir noch viel Schlimmeres antun lassen!«
»Aber du hast die Idee dazu gehabt und hast sie umgesetzt!«, beharrte Emily. »Ich hätte es mich nie und nimmer getraut.«
Éanna war insgeheim stolz auf das, was sie getan hatte. Und sie freute sich, dass vorerst die Angst vor dem ärgsten Hunger gebannt war. Denn auch die folgenden Zuteilungen und die Wasserration entsprachen fortan dem, was man ihnen vor der Abreise versprochen hatte.
Aber noch mehr freute sich Éanna darüber, dass Brendans Wunden heilten und er wenigstens mit ihr über Alltägliches redete, wenn sie ihm Essen brachte und seinen Rücken neu verband. Wie gern hätte sie jetzt endlich von ihm erfahren, wie er es innerhalb von drei Tagen geschafft hatte, an das Geld für die Überfahrt zu kommen. Doch das wagte sie nicht. Denn es hätte zu viel mit dem zu tun gehabt, was zu ihrer Trennung geführt hatte. Und irgendwie musste auch Caitlin ihre Hand im Spiel gehabt haben, wie sie einem ihrer bitterbösen Vorwürfe an Brendan hatte entnehmen können. Nein, sie wollte es nicht darauf ankommen lassen, dass er es bereute, wieder mit ihr gesprochen zu haben. Ihre Neugier musste bis zu einem späteren Zeitpunkt warten.
Ab und zu blitzte für einen Moment die alte Vertrautheit auf und es stahl sich so etwas wie ein Lächeln in sein Gesicht. Aber stets schien ihm schlagartig bewusst zu werden, was sie nun voneinander trennte, und seine Miene verschloss sich aufs Neue.
Und während Éanna Nacht für Nacht darüber nachgrübelte, wie sie Brendan trotz allem zurückgewinnen konnte, bahnte sich tief unten im Schiffsrumpf eine Katastrophe ihren Weg, von der niemand etwas ahnte.
Einunddreißigstes Kapitel
Einige Tage später ließ sich die schreckliche Wahrheit nicht länger verleugnen. Nun wussten auch die kleinsten unter den Zwischendeckpassagieren, was passieren würde. Und die Wahrheit war grausamer als all das, was sie bislang an Unbill erfahren hatten.
Wenn kein Wunder geschah, würde die Metoka mit Mann und Maus untergehen.
Tief unten im Schiffsrumpf hatten die zahlreichen Lecks dafür gesorgt, dass das Schiff immer mehr mit Wasser volllief. Die inständige Hoffnung, die Éanna mit allen anderen an Bord der Metoka teilte, hatte sich nicht erfüllt. Der Mannschaft war es nicht gelungen, endlich die Lecks abzudichten. Diese waren so zahlreich und befanden sich an dermaßen schlecht zugänglichen Stellen unten am Schiffsrumpf, dass Captain Crimshaw
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