Earth Girl. Die Begegnung
Der Unfallspezialist des Grabungsverbands bestand darauf, dass Playdon einen Tag lang sämtliche speziellen Sicherheitsvorschriften für Eden wiederholte, obwohl wir vor Langeweile fast umkamen. Am nächsten Tag wurde die Grabungsstätte komplett geschlossen, weil ein Arzt in allen Quartieren die Runde machte, um den Leuten einen bestimmten Impfstoff zu verabreichen. Am Morgen darauf durften wir zwar nach draußen, aber wir gingen nicht weiter als bis zum Rand der Ruinen, wo wir den ganzen Tag über das Verhalten bei den verschiedenen Sensoralarmsignalen übten.
Die Wiederholungsvorlesungen waren öde gewesen, aber die Übungen bedeuteten vier Stunden kreischende Sirenen und harte körperliche Arbeit. Meistens meldet der Sensorschlitten nur schrill den Standardalarm, der signalisiert, dass der Tagger aus der Gefahrenzone gezogen werden soll, aber manchmal warnt der Alarm auch vor einer ernsthaften Bedrohung fürs ganze Team. Wenn der Untergrund instabil wird, sollte man zusehen, dass man so schnell wie möglich auf den Clearway kommt. Einstürzendes Hochhaus: nichts wie weg und keinesfalls stehen bleiben. Ein Magnetfeld: Alle Traktorstrahlen kappen, Schlitten zurücklassen und rennen wie das Chaos, bevor irgendetwas in die Luft fliegt oder einen der eigene Schutzanzug umbringt. Strahlung: Das nächste Evak-Portal aufsuchen und die Aufsichtsbehörde bitten, die Notaufnahme von Hospital Earth auf ein ‹heißes Team› vorzubereiten. Chemikalien sind wie Strahlung, außer dass man auf dem Weg zum Evak-Portal kurz innehält, um sich mit Dekontaminierungsflüssigkeit einzusprühen.
Vier Stunden davon ergaben in der Summe ziemlich viel Gerenne, was in dem steifen Material der Schutzanzüge echt keinen Spaß macht. Wir hassten es alle, aber selbst Krath war schlau genug, sich mit keiner Silbe zu beklagen. Playdon hatte um zwei Uhr morgens nach Asgard teleportieren müssen, um sich von seinem Institutsleiter bei der Asgard University befragen zu lassen, und war gerade noch rechtzeitig zum Frühstück zurück gewesen. Er war noch viel erschöpfter als wir.
An diesem Abend beobachtete ich, wie Petras alte Freunde sie demonstrativ links liegenließen, und sie tat mir so leid, dass ich es wagte, mich ihr zu nähern. Sie quittierte meinen Versuch, Mitgefühl zu zeigen, mit einem schneidenden Tonfall: «Kapierst du nicht, dass ich lieber keine Freunde habe als dich. Verpiss dich!»
Ich verstand die Botschaft und ließ sie den Rest des Abends über alleine sitzen. Vermutlich war es bescheuert unsensibel von mir gewesen, überhaupt mit ihr reden zu wollen, aber …
Am nächsten Tag erteilte uns die Aufsichtsbehörde widerwillig die Erlaubnis, mit unserer eigentlichen Arbeit fortzufahren. Da wir mit der Theorie nun weit voraus waren, verbrachten wir zwei lange Tage mit Ausgrabungen in den Ruinen von Eden. Pause machten wir nur, wenn der unvermeidliche Regen uns dazu zwang.
Am ersten Tag kamen wir mit leeren Händen nach Hause, aber am zweiten fanden wir eine Stasisbox. Playdon ließ mich bei den Stasis-Q-Sicherheitschecks helfen. In der Kiste befand sich der übliche Datenchip mit dem Abschiedsvid einer Familie, die während des Exodus-Jahrhunderts die Erde verlassen hatte, aber auch etwas, das ich bisher noch nie gefunden hatte: ein Satz Tagebücher. Echte, richtige Bücher, die von irgendeinem Exzentriker in der ersten Hälfte des vierundzwanzigsten Jahrhunderts von Hand geschrieben worden waren.
Am liebsten hätte ich den Abend mit der Lektüre verbracht, aber Fian und ich hatten ausgemacht, nach Europa rüberzuteleportieren, um meine Freunde von Next Step zu treffen. Wie immer gingen wir alle in Stigga’s MeetUp, weil Maeth Stigga überredet hatte, uns wieder reinzulassen. Eigentlich wäre es echt klasse gewesen, aber irgendwie traute ich mich nicht, so kurz nach Joths Tod schon wieder zu lachen und Witze zu machen. Außerdem redeten Issette und die anderen dauernd von der Arche-Evakuierung, was mich an all die Dinge erinnerte, die ich ihnen verheimlichte. Zum Glück hatten Fian und ich wegen der Zeitunterschiede zwischen Europa und Afrika eine Ausrede, früh zu gehen.
Am nächsten Morgen zog unsere Truppe noch während des frühmorgendlichen Regenschauers los, damit wir weiter als sonst in die Ruinen vordringen konnten. Unser kleiner Schlittenkonvoi legte fast die halbe Strecke bis zum Eden-Ring zurück, ehe wir nach links in einen kleinen Seiten-Clearway abbogen, der plötzlich in einem Geröllfeld endete.
Während
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