EB1021____Creepers - David Morell
Vater.«
»Er ist nicht dein Vater. Vielleicht hat er dich mehr oder
weniger adoptiert, aber er war nicht dein Vater, obwohl er fast
so krank war wie dein richtiger Vater.«
»Mein richtiger Vater?«, sagte die Stimme angewidert.
»Kein richtiger Vater hätte mich so behandelt.«
»Aber kein richtiger Sohn hätte Carlisle so behandelt, wie
du es getan hast«, sagte Balenger. »Er hatte seine Vermutun‐
gen, was du so treibst, aber er konnte es nicht beweisen,
stimmt’s? Er war verdreht, aber nicht so verdreht wie du. Also
hat er das Hotel dichtgemacht, um dir die Jagdgründe wegzu‐
nehmen. Er hat gehofft, du würdest aufhören, und er war sich
ja auch gar nicht sicher, stimmt’s? Was ihn anging, war es ein‐
fach eine Vorsichtsmaßnahme, das Hotel zu schließen. Er hat
seine Zweifel erst mal verdrängt. Was hast du gemacht, ihn
allmählich zu einem Gefangenen in diesem Höllenloch ge‐
macht? Hast du damit gedroht, ihn zu verletzen – das, was er
am meisten gefürchtet hat? Hast du ihn gezwungen, die Do‐
kumente zu unterschreiben, die dir die Kontrolle über den
Treuhandfonds gaben? Als die Straßenschlachten kamen, hast
du da dafür gesorgt, dass es so aussah, als hätte er den Einbau
von eisernen Läden und Türen angeordnet? Auf diese Weise
hattest du ihn noch besser unter Kontrolle und konntest zu‐
gleich deine Geheimnisse wahren. Aber irgendwann ist er da‐
hintergekommen, was du so getrieben hast – nicht nur einmal,
sondern jahrelang. Das war es doch wohl, was passiert ist,
oder, Ronnie? Er hat die Leichen von einigen deiner Freundin‐
nen gefunden. Er hat die Kraft aufgebracht, aus alldem aus‐
zubrechen. Etwas hat ihm mehr Angst gemacht als ein Schnitt,
an dem er hätte verbluten können, mehr als der entsetzliche
weite Strand, zu dem hinzulaufen er sich gezwungen hat. Et‐
was hat ihn so entsetzt, dass er sich umgebracht hat. Du, Ron‐
nie.«
»Eine Menge Fragen«, sagte die Stimme. »Du hast zwei Vä‐
ter vernichtet – den, den du gehasst hast, und den, den du
wolltest.«
»Fragen, auf die es keine Antwort gibt.« Balenger spähte in
den Überwachungsraum hinüber. Kleine Rauchschwaden
zwängten sich an den Handtüchern rings um die Falltür vor‐
bei. Ich müsste genug Zeit herausgeschlagen haben, dachte er.
Inzwischen sollte das Morphium wirken. Er ging neben Vinnie
in die Hocke. »Wie ist es mit den Schmerzen?«
»Besser. Irgendwie schwebend.«
»Gut. Wir müssen dich nämlich auf die Beine bringen.«
Vinnies Augen wurden groß.
»Wir haben keine Wahl«, sagte Balenger. »Wir können nicht
bleiben. Wenn er uns hier nicht erwischt, tut’s das Feuer.«
Welche Falltür?, überlegte er. Wenn wir die Wendeltreppe
hinter Danatas Suite nehmen, wird Ronnie uns durch die Lö‐
cher in der Wand sehen. Er wird schießen. Die Treppe unter
dem Überwachungsraum stand in Flammen. Die unter der
Küche war geflutet. Balenger ging davon aus, dass der Aufzug
ihnen zum Verhängnis werden würde. Sobald Ronnie das Ge‐
räusch hörte, würde er durch die Tür schießen und jeden
Menschen in der Kabine töten. Oder er würde den Strom ab‐
stellen, sie im Aufzugschacht gefangen halten und alles Weite‐
re dem Feuer überlassen.
Balenger schlich in die Bibliothek. Als er die Falltür anhob,
hörte er Wasser – ein Geräusch wie von einer weiteren voll
laufenden Zisterne. Er schloss die Falltür, verriegelte sie und
ging leise durch die Küche ins Esszimmer. Er öffnete die dor‐
tige Falltür und atmete tief durch, als er kein Wasser hörte.
Er ging zurück ins Schlafzimmer. Vinnies verkohlte Beine
waren noch stärker angeschwollen und nässten mehr als zu‐
vor.
»Du brauchst dich einfach nur mitnehmen zu lassen, Vin‐
nie. Amanda und ich stützen dich.« Balenger sah Amanda an.
»Fertig?«
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» Jederzeit«, sagte Amanda.
Ihr Mut erinnerte ihn so sehr an Diane, dass er eine Sekun‐
de lang im rauchigen Zwielicht tatsächlich glaubte, seine Frau
vor sich zu sehen. Er schüttelte den Kopf, um ihn klar zu be‐
kommen.
»Du bist verletzt«, sagte sie, während sie auf seinen rechten
Arm zeigte.
Balenger war überrascht, Blut auf dem Ärmel seiner Wind‐
jacke zu sehen. »Schrot, nehme ich an.«
»Und die linke Wange.«
Er tastete danach und fühlte Blut. »Fliegender Holzsplitter
wahrscheinlich. Hier.« Er hakte die zweite Nachtsichtbrille
von seinem Gürtel los. »Die wirst du brauchen.«
Als sie sie aufsetzte,
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