EB1021____Creepers - David Morell
Schnellvorlauf.«
»Aber was hat das Ganze mit –«
»Professor«, sagte Cora, »woher wissen Sie von einem ge‐
heimen Tresor in Danatas Suite, der im Winter 1935 eingebaut
wurde, als das Hotel verlassen war?« Conklin lächelte. »Du
bist wirklich meine Studentin.« Balenger wartete auf die Ant‐
wort. »Es hat sich herausgestellt, dass Carlisle ein Tagebuch
geführt hat, nicht über sich selbst, sondern über das Hotel,
über all die interessanten Ereignisse, die er im Lauf der Jahre
verfolgt hatte. Besonders fasziniert war er von den Selbstmor‐
den und anderen Todesfällen, die sich hier zugetragen haben.
Zum Beispiel hat es insgesamt drei Morde gegeben. Ein Mann
hat seinen Geschäftspartner erschossen, der ihn betrogen hat‐
te. Eine Frau hat ihren Ehemann vergiftet, weil er gedroht hat‐
te, sie einer anderen Frau wegen zu verlassen. Und ein drei‐
zehnjähriger Junge hat gewartet, bis sein Vater schlief, und ihn
dann mit einem Baseballschläger erschlagen. Der Vater hatte
das Kind seit Jahren missbraucht. Carlisle musste seinen gan‐
zen Reichtum und Einfluss aufbieten, um zu verhindern, dass
diese Vorfälle in der Öffentlichkeit breitgetreten wurden. Nach
seinem Tod –«
»Woran?«, fragte Balenger. »Altersschwäche? Herzversa‐
gen?«
»Um genau zu sein, er hat Selbstmord begangen.« Die
Gruppe wurde still.
»Selbstmord?« Balenger machte sich eine Notiz. »Er hat sich
mit einer Feuerwaffe die obere Schädelhälfte weggeschossen.«
Die Gruppe schien den Atem anzuhalten. »Verzweiflung
wegen seines Gesundheitszustandes?«, fragte Balenger.
»Der Autopsiebericht gehörte zu den Dokumenten, die ich
mir angesehen habe«, sagte Conklin. »Seine konsequente Le‐
bensführung und das Training, mit dem er seine Hämophilie
auszugleichen versuchte, haben dazu geführt, dass er für ei‐
nen Mann von zweiundneunzig Jahren in bemerkenswert gu‐
ter Verfassung war. Er hat keinen Abschiedsbrief hinterlassen.
Niemand konnte erklären, warum er sich umgebracht hat.«
»Er muss geistig genauso rege gewesen sein wie körper‐
lich«, sagte Rick. »Sonst hätte er sein Vorhaben niemals vor
dem Personal geheim halten können.«
»In seinen letzten Jahren hatte Carlisle kein Personal mehr.«
»Was? Er hat sich in diesem riesigen Kasten ganz allein ver‐
sorgt?« Cora runzelte die Stirn. »Ist durch diese Gänge gegan‐
gen…«
»Aber wenn er allein war…« Vinnie hörte sich verwirrt an.
»Du meinst, wie haben sie ihn gefunden?«, sagte Conklin.
»Zum wahrscheinlich ersten Mal in seinem Leben hat er das
Hotel mitten in der Nacht verlassen, ist zum Strand hinunter‐
gegangen und hat sich erschossen. Schon damals war der Nie‐
dergang von Asbury Park so weit fortgeschritten, dass sie ihn
erst am Mittag des darauf folgenden Tages gefunden haben.«
»Ein Mann mit Agoraphobie geht zum ersten Mal in seinem
Leben zum Strand, nur um sich dort umzubringen?« Balenger
schüttelte nachdrücklich den Kopf. »Das ergibt doch keinen
Sinn.«
»Die Polizei hat sich gefragt, ob es Mord gewesen war«,
sagte der Professor. »Aber am Abend hatte es geregnet. Die
einzigen Fußspuren am Strand waren die von Carlisle selbst.«
»Unheimlich«, sagte Cora.
»Nach seinem Selbstmord wurden die Papiere des alten
Mannes in der Familienbibliothek deponiert – die sich in ei‐
nem Lagerraum im Keller des Stadthauses in Manhattan be‐
findet, das einmal der Familienwohnsitz war. Carlisles Treu‐
händer sind in dem Gebäude geblieben, bis ihnen das Geld
ausging.«
»Und das Tagebuch ist bei diesen Dokumenten?«, fragte Ba‐
lenger.
»Ja. Als ich das Paragon als Ziel der diesjährigen Expedition
ausgesucht habe, habe ich die üblichen Recherchen durchge‐
führt und von der Existenz dieses Archivraums erfahren. Der
Mann, der das Anwesen verwaltet, hat mir erlaubt, die Doku‐
mente anzusehen. Er versuchte gerade, einige Universitäten
für sie zu interessieren. Wahrscheinlich hat er gedacht, ich wä‐
re von meiner Universität autorisiert worden, ein Angebot zu
machen.
Ich hatte einen Tag lang Zeit, die Papiere durchzusehen.
Dabei habe ich das Tagebuch gefunden.«
»Sie haben also nicht nur ein Gerücht weitergegeben? Es
gibt wirklich einen Tresorraum in Danatas Suite?«, fragte Ba‐
lenger.
»Ich kann Ihnen nur sagen, es gibt keinerlei Hinweise dar‐
auf, dass er entfernt wurde.«
»Zum Teufel, das wird ja noch interessanter, als ich
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