EB1021____Creepers - David Morell
auf
dem Boden hinunter. Einen Aktenordner.
»Den haben wir in dem Büro hinter dem Rezeptionstisch
gefunden«, sagte Rick. »Er hat ein interessantes Etikett, also
haben wir ihn rausgezogen. Und dann haben wir das Geschrei
aus dem Funkgerät gehört.« Balenger hob den Ordner auf und
las im Licht seiner Taschenlampe das Etikett: POLIZEIBE‐
RICHTE. »Ja, da kommt Aufmerksamkeit auf.« Er blätterte die
Seiten durch.
»In Hotels passieren eine Menge Verbrechen, vor allem
Diebstähle, aber die Gäste erfahren es meistens nicht«, sagte
er. »Schlecht fürs Geschäft. Meist führt die Polizei die Ermitt‐
lungen diskret durch. Der Ordner hier fängt beim jüngsten
Vorfall an und –« Cora schrie.
Rick war schlagartig in Bewegung und stürmte um die Ecke
davon. Balenger rannte ihm nach, gefolgt von Vinnie und dem
Professor, und starrte den Gang entlang. Das Zickzack der
Stirnlampen zeigte ihnen Cora, den Rücken zur Wand, die
Jeans auf Kniehöhe. Ein Papiertuch lag auf dem Boden neben
der halb gefüllten Flasche. Sie starrte zum Ende des Flurs hi‐
nüber. »Da hinten ist irgendwas!«, sagte sie. Rick stellte sich
sofort vor sie, um jede Gefahr von ihr abzuhalten. Guter Kerl,
dachte Balenger. Cora zerrte hektisch ihre Jeans nach oben
und schloss sie, ohne den Blick vom Ende des Flurs zu wen‐
den. »Sehen Sie irgendwas?«, fragte Conklin. »Nein«, sagte
Balenger im Wissen um die Waffe unter seiner Windjacke.
»Doch«, sagte Vinnie. »Dort.«
Augen glommen am Ende des Flurs. In der Nähe des Bo‐
dens.
Balenger gestattete sich, sich etwas zu entspannen. »Wieder
ein Tier.«
Die Lichtstrahlen zeigten ihnen einen Kopf, der um die Ecke
schaute.
»Himmeldonnerwetter, noch eine Albinokatze«, sagte Rick.
Das Vieh entblößte die Zähne und fauchte. »Die weicht und
wankt nicht«, sagte Vinnie. »Hat nicht mal Angst vor uns.
Nichts als Wut, weil wir ihr zu nahe gekommen sind.«
»Die muss doch zwanzig Pfund wiegen«, sagte Rick. »Hat
sich wahrscheinlich an den Ratten im Erdgeschoss gemästet.«
»Als ich ein Junge war, habe ich die Sommerferien bei mei‐
ner Großmutter auf der Farm verbracht«, sagte Vinnie. »Da
hat es einen Haufen verwilderte Katzen in einer aufgelassenen
Scheune an der Straße gegeben. Sie haben jede Maus, jedes
Kaninchen und jedes Waldmurmeltier in der Umgebung ge‐
fressen. Die Vögel sind irgendwann weggeblieben. Die Katzen
haben sich darauf verlegt, Hühner zu reißen. Dann sind sie zu
Ziegen übergegangen und zu –«
»Danke, Vinnie«, sagte Conklin. »Ich glaube, wir haben’s
verstanden.«
»Was ist mit den Katzen passiert?«, fragte Balenger› wäh‐
rend das weiße Vieh wieder fauchte. »Ein Farmer hat vergifte‐
tes Fleisch ausgelegt. Hat nicht funktioniert. Die waren zu
schlau, um das Zeug anzurühren. Der Typ hat gesagt, er hätte
mindestens fünfzig davon gezählt und wäre nur noch froh
gewesen, als er sich ins Auto setzen und verschwinden konn‐
te. Eine Frau aus der Nachbarschaft hat gesagt, sie hätten ihr
Glück bei ihrem Baby versucht. Also haben sich irgendwann
etwa zehn Farmer die Erlaubnis von der Jagdbehörde oder
vom Sheriff oder wem auch immer besorgt und sind mit Ge‐
wehren hingegangen. Ich weiß noch, dass die Ballerei den
ganzen Nachmittag gedauert hat. Meine Großmutter sagt, sie
hätte gehört, dass sie über hundert Tiere erschossen haben.«
»Vinnie«, warnte Cora.
»Na ja, aber das hier ist bloß eine. Kusch!«, schrie Rick. Er
holte die Wasserpistole heraus und spritzte Essig in die Rich‐
tung der Katze.
Der Strahl erreichte sie bei weitem nicht. Trotzdem ver‐
schwand die Katze mit einem letzten Fauchen um die Ecke.
»Siehst du, sie mag uns genauso wenig wie wir sie.« Balen‐
ger stellte fest, dass Cora die Ablenkung genutzt hatte, um die
Flasche mit dem Urin im Rucksack zu verstauen. Sie schob das
Papiertuch in eine Plastiktüte, schloss sie und ließ sie ebenfalls
verschwinden. »Alles in Ordnung?«, fragte Rick. »Okay.« Sie
klang verlegen. »Das Vieh hat mich überrascht, das ist alles.«
»Vielleicht sollten wir wirklich nicht weitergehen.«
»Hey, es war doch nichts.« Vor Verlegenheit straffte sie die
Schultern. »Wir haben bei unseren Expeditionen alle schon
einen Schreck gekriegt. Das ist doch teilweise der Witz dabei,
oder? Der Adrenalinstoß. Bloß weil ich auf der Achterbahn
kreische, heißt das ja nicht, dass ich nicht wieder damit fahren
will.«
Aber
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