EB1021____Creepers - David Morell
fragte der erste Mann. »Die Bril‐
le«, log Balenger.
»Ja, clever, was? Ich hab gehört, vor zehn Jahren haben die
noch ein Vermögen gekostet, und die Army hatte den Daumen
drauf. Jetzt kriegt man sie billig in jedem Überhangladen.«
»Man kann Bambi damit jagen oder die Nachbarn bespit‐
zeln«, sagte der zweite Mann.
Balenger blickte nach links und sah einen etwas weniger
muskulösen Mann in schmuddeliger schwarzer Kleidung, der
gerade seine Brille abnahm. Seine linke Wange war von den
Schlieren einer Brandnarbe bedeckt, die fast so weiß waren
wie die Albinokatze. Auch dieser junge Mann – um die zwan‐
zig, schätzte Balenger – hatte sich den Kopf kahl geschoren.
Aber er war nicht tätowiert.
»Alles kommt ans Licht«, bemerkte der dritte Mann, wäh‐
rend er seinerseits die Brille abnahm. Sie hinterließ rote
Druckstellen rund um die Augen. Er stand zwischen Rick und
dem Professor – gut gebaut, aber verglichen mit seinen Ge‐
fährten wirkte er beinahe mager. Er war außerdem etwas klei‐
ner als die beiden anderen, die mindestens eins fünfundach‐
tzig groß sein mussten. Anders als sie hatte er Haare auf dem
Kopf – einen kurzen, militärisch wirkenden Bürstenschnitt.
»Mit den Dingern gehört einem die Nacht.«
»Irgendwie cool. Alles sieht damit grün aus.« Die wirbeln‐
den Tätowierungen des ersten Mannes reichten beinahe bis zu
den Lidern. »Erinnert mich an diesen Song.« Er begann zu
summen. »It’s Not Easy Being Green.«
»Das waren noch Zeiten«, sagte der dritte Mann. »Sesam‐
straße gucken und sich wegen nichts Gedanken machen müs‐
sen.«
»Scheiße, wann hast du jemals Sesamstraße angeguckt?« Die
reden dermaßen schnell, sind sie auf Drogen?, dachte Balen‐
ger. Er kämpfte darum, seine zitternden Muskeln unter Kont‐
rolle zu bekommen. Wie beim letzten Mal, dachte er. Wenn ich
mich von der Angst beherrschen lasse, bin ich erledigt. Passi‐
vität heißt, ich verliere.
»Zeit, sich vorzustellen«, verkündete der erste Mann. »Da‐
mit unsere neuen Freunde hier versuchen können, sich bei uns
beliebt zu machen, so wie es immer passiert bei dem, wie nen‐
nen sie’s doch gleich, Schwedensyndrom. So heißt das doch,
oder?«, fragte er Balenger. »Stockholm‐Syndrom«, sagte Ba‐
lenger. Der erste Mann versetzte ihm einen Tritt gegen das
linke Bein.
Balenger stöhnte und umklammerte es. »Wer, zum Teufel,
hat dich gefragt?«, fragte der erste Mann. »Ich bin sicher, sie
haben’s Schwedensyndrom genannt in diesem Film mit Kevin
Spacey, den wir uns neulich Abend angesehen haben.«
» Verhandlungssache«, sagte der zweite Mann. »So hieß der?
Ich weiß bloß noch, dass die Geiseln versucht haben, sich mit
dem Geiselnehmer anzufreunden. Oder vielleicht war das
auch ein anderer Film, in dem das Schwedensyndrom vorge‐
kommen ist. Es heißt doch Schwedensyndrom, stimmt’s?«
»Genau«, sagte Balenger.
»Klar, heißt es auch. Also, stellen wir uns vor. Ich heiße
Todd. Und das da ist…«
»Mack«, sagte der zweite Mann mit der Brandnarbe auf der
Wange.
»Nennt mich JD«, sagte der jüngere Mann, der mit dem mi‐
litärischen Haarschnitt. Er sah aus, als wäre er um die acht‐
zehn.
»Und du bist…?«, fragte Todd Balenger. »Frank.«
Todd sah die anderen auffordernd an. »Vinnie.«
»Rick.« Ricks gebrochene Nase ließ seine Stimme klingen,
als habe er eine fürchterliche Erkältung. »Wie heißt du, Sü‐
ße?«, fragte Mack Cora. Er strich sich dabei über die Glatze, als
bereite es ihm ein erotisches Vergnügen. »Cora.«
»Niedlicher Name.«
»Und der alte Typ?«, fragte JD.
»Bob. Sein Name ist Bob.« Balenger sah mitfühlend zu dem
halb bewusstlosen Professor hinüber. Am Rand des um sein
nacktes Bein gewickelten Klebebandes war getrocknetes Blut
zu sehen.
»Schön, euch kennen zu lernen. Wir freuen uns, dass ihr zu
der Party dazugestoßen seid. Hat irgendwer Fragen?« Nie‐
mand antwortete.
»Kommt schon. Ich bin sicher, ihr habt Fragen. Jetzt ist der
Zeitpunkt dafür. Fragt ruhig. Ich beiße nicht.« Mack und JD
kicherten. »Frank«, sagte Todd. »Frag mich was.«
»Habt ihr beobachtet, wie wir in das Mannloch gekrochen
sind?«
»Yep. Wir haben versucht rauszukriegen, wie man in das
Gebäude hier reinkommt. Bei den verdammten Metalltüren
und Läden ist nichts zu machen. Die Wände sind so dick – wir
würden so viel Krach machen, wenn wir uns durchhacken
wollten,
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