EB1021____Creepers - David Morell
eine Videokamera installiert,
und dann mussten sie natürlich zeigen, wer ich war, also ha‐
ben sie mir den Sack vom Kopf gezogen. Nachdem ich mit
Blinzeln und Schielen fertig war, habe ich gesehen, dass ich in
einem runtergekommenen Betonraum gesessen habe, und
ringsum stand ein halbes Dutzend Männer. Sie hatten Kapu‐
zen auf, mit Löchern für Augen und Mund. Der Typ, der mir
gedroht hatte – er war der Einzige, der Englisch konnte –, hat‐
te die Hand in einem Loch in seiner Kutte. Er hat irgendwas
unten drunter festgehalten, und man brauchte nicht lang
nachzudenken, um darauf zu kommen, dass es ein Säbel war.
Die Videokamera hat auf einem Stativ vor mir gestanden. Sie
hatte ein rotes Licht, das dauernd geblinkt hat, und der Typ
hat verlangt, dass ich meinen Namen und meinen Arbeitgeber
nenne. Er hat gesagt, ich sollte alle Amerikaner bitten, den Irak
zu verlassen, sonst würde ihnen das Gleiche passieren wie
mir.«
Balenger wusste, dass er zu schnell sprach, aber er konnte
sich nicht mehr beherrschen – die Worte kamen in einem
Schwall. »Ich wusste nicht, wie lang ich nach der Explosion
bewusstlos gewesen war, wie lang es her war, seit ich irgend‐
was gegessen oder getrunken hatte. Name, Rang und Dienst‐
nummer. Das hatten sie uns bei den Rangers beigebracht. Ich
würde den Teufel tun und einen Amerikaner anbetteln, das
Land zu verlassen, aber es war nichts dagegen zu sagen, Zeit
zu schinden und meinen Namen zu nennen. Aber als ich ver‐
sucht habe zu sprechen, habe ich bloß ein Krächzen heraus‐
gebracht. Sie haben begriffen, dass sie mir Wasser geben mus‐
sten, bevor ich irgendwas sagen konnte. Irgendwer hat mir
eine Flasche an die Lippen gehalten. Ich hab geschluckt. Ich
habe gemerkt, wie mir das Wasser vom Kinn getropft ist. Ich
habe noch mal geschluckt. Dann haben sie die Flasche wegge‐
rissen, und der Typ hat gesagt, ich soll vor der Kamera meinen
Namen nennen. Ich hab’s wieder versucht, und sie haben mir
noch etwas Wasser gegeben, und als ich das dritte Mal ver‐
sucht habe zu sprechen und es nicht konnte, hat der Typ, der
Englisch konnte, den Säbel gezogen. Sekunden. Tick, tick, tick.
Keine Vergangenheit. Keine Zukunft. Nur das Jetzt. Nur der
Säbel. Ich hab mir geschworen, ich würde dieses Jetzt so lange
rauszögern wie möglich. Der Typ hat mit dem Säbel ausge‐
holt.«
Balenger erzählte seine Geschichte, wie er sie jedes Mal er‐
zählte, die gleichen Worte, der gleiche Redeschwall, die Art,
wie sein Psychiater die Geschichte jedes Mal zu hören bekam,
vielleicht zum hundertsten Mal. »Ich weiß nicht, wie, aber ich
habe es fertig gebracht, meinen Namen auszusprechen. Er hat
den Säbel still gehalten und angeordnet, ich sollte sagen, für
wen ich arbeite. Das war das Gleiche wie Rang und Dienst‐
nummer. Nichts dagegen zu sagen. Also hab ich der Kamera
den Namen der Firma gesagt, bei der ich angestellt war:
Blackwater. Jetzt. Ich habe immer noch versucht, dieses Jetzt in
die Länge zu ziehen. Dann hat er mir befohlen, um mein Le‐
ben zu betteln. Ich habe gedacht, was ist so schlimm am Bet‐
teln? Ich habe gewusst, es würde mir nichts nützen, aber we‐
nigstens hat es das Jetzt verlängert. Aber ich konnte es nicht
tun.« Schneller und schneller. »Mir ist vor Angst die Stimme
gebrochen. Ich habe geschluchzt, und sie mussten mir mehr
Wasser geben, aber ich habe die Worte immer noch nicht
rausgebracht, also hat der Typ seinen Säbel gehoben, und das
Jetzt war beinahe vorbei, und plötzlich fingen die Wände an
zu wackeln. Der ganze Raum war auf einmal voller Staub. Be‐
tonblöcke sind runtergekommen. Mir haben die Ohren ge‐
dröhnt. Die Typen mit den Kapuzen haben einander irgend‐
was zugebrüllt. Sie haben eine Tür aufgerissen. Das Sonnen‐
licht hat mich geblendet. Draußen war noch eine Explosion.
Ein paar haben sich Gewehre gegriffen. Zwei davon haben
mich in einen Nebenraum geworfen – klein, nackter Boden. Sie
haben die Tür abgeschlossen. Ich habe gehört, wie sie wegge‐
rannt sind. Ich habe noch eine Explosion gehört. Gewehrfeuer.
Ich war immer noch an den Stuhl gefesselt, als sie mich in den
Raum geworfen haben. Der Stuhl ist zerbrochen, als ich aufge‐
kommen bin. Ich hab mich von den Holztrümmern wegge‐
wälzt. Pisse und Scheiße überall. Die Hände waren mir immer
noch im Rücken gefesselt. Aber ich konnte mich bewegen, und
sobald ich mich von dem Stuhl losgemacht
Weitere Kostenlose Bücher