EB1021____Creepers - David Morell
umzusehen.
»Moon…«, sang Cora vor sich hin. »River.« Sie schwankte
von einer Seite auf die andere, als lausche sie auf eine geheime
Musik, ein geisterhaftes Echo der Melodie, die ihr toter Ehe‐
mann für sie gespielt hatte. »Wider…« Ihre rot geränderten
Augen waren riesig, aber sie schien nichts um sich herum
wahrzunehmen.
»Crossing…« Als sie das Gewicht von einem Fuß auf den
anderen verlagerte, hatte Balenger den verstörenden Eindruck,
dass sie mit jemandem tanzte, langsam, Brust an Brust, Wange
an Wange, ohne jemals die Stelle zu verlassen, an der sie fest‐
gewurzelt schien. »Dream…« Tränen rannen ihr in dem flak‐
kernden Kerzenlicht über die Wangen. »Heartbreak.«
»Du hast das Date mit ihr«, sagte Todd zu Mack. »Unter‐
nimm irgendwas, damit sie aufhört.« Conklin nahm all seine
Kraft zusammen, um zu unterbrechen. Balenger respektierte
ihn dafür, dass er versuchte, die Aufmerksamkeit von Cora
abzulenken. »Der Tresor ist versteckt. Das war ja der Sinn der
Sache.« Der Professor lehnte sich auf dem Sofa zurück; er hatte
die Augen geschlossen. »Wenn die Leute gewusst hätten, dass
es da einen Tresor gibt, hätten sie sich auch gefragt, was drin
ist.«
»Wo versteckt?«, fragte Todd. Conklin antwortete nicht.
»Wenn du es nicht weißt, warum, zum Teufel, haben wir
dich dann hergebracht?«
»Wir finden ihn. Vinnie, hilf mir mal.« Balenger spürte, dass
eine tödliche Ungeduld sich unter ihren Aufpassern auszub‐
reiten begann. Er hatte all das schon einmal mitgemacht, hatte
es schon einmal gespürt – unter einem Sack, der ihm um den
Kopf gebunden worden war. Wir müssen die in dem Glauben
lassen, dass wir nützlich sind.
Er drehte sich zu Mack um. »Gib mir die Brechstange.«
»Lieber nicht.«
Cora sang immer noch leise vor sich hin, schwankend, als
stehe sie unter Drogen oder tanze mit einem Geist. Ihre leeren
Augen sahen nichts. »Drifters.« Ihre Stimme klang heiser, war
kurz davor, zu brechen. »Diese Schlampe geht mir auf die
Nerven«, sagte JD. »Keine Brechstange?«, fragte Balenger, um
die Aufmerksamkeit wieder auf sich zu ziehen. »Okay, zum
Teufel, dann improvisieren wir eben.« Er griff nach einem
Aschenbecher aus Edelstahl, der auf einem Tisch aus Glas und
Chrom stand, umfasste ihn fest mit den zusammengeklebten
Händen und ging zu der Wand zur Rechten hinüber. In plötz‐
licher Wut schob er das Bücherregal zur Seite und drosch die
Kante des Aschenbechers gegen die Wand; der Lärm übertön‐
te Coras Klagegesang. Ein Bild mit der stilisierten Darstellung
einer Frau in einem schnittigen Straßenkreuzer der 1920er Jah‐
re, deren langes Haar im Wind flog, stürzte von der Wand.
»Nein«, murmelte der Professor.
Balenger bewegte sich an der Wand entlang und schlug in
Abständen mit dem Aschenbecher zu. Putz prasselte von der
Wand. Das nächste Bild krachte zu Boden. »Vergesst die
Goldmünzen!«, sagte Vinnie zu JD; er musste die Stimme he‐
ben, um sich über den Krach hinweg verständlich zu machen.
»Der Aschenbecher, den er da gerade ruiniert, war in tadello‐
sem Zustand. Ihr hättet ihn für tausend Dollar bei Ebay ver‐
kaufen können. Und die beiden Bilder, die da runtergekom‐
men sind.«
»Tausend Dollar?«
»Wahrscheinlich mehr. Und dann wäre da noch der Ker‐
zenhalter aus Chrom und die grünen Milchglasvasen und das
Zigarettenetui aus Edelstahl.« Mack nahm das Etui vom Tisch
und öffnete es. »Sind immer noch Zigaretten drin.« Er nahm
eine heraus. Papier und Tabak zerfielen in seinen Fingern.
»Die Lampen, die Stühle, die Glastische, das lackierte Sofa – in
gutem Zustand«, fuhr Vinnie fort. »Alles in allem steht hier
eine Viertelmillion Dollar herum, wahrscheinlich mehr, und
ihr braucht euch keine Sorgen zu machen, dass die Regierung
hinter euch her ist, weil ihr gestohlene Goldmünzen verhökert.
Alles kein Problem. Mietet euch einen Lastwagen. Wir helfen
euch beim Beladen. Wir werden lächeln und winken, wenn ihr
wegfahrt. Lasst uns einfach in Frieden. Ich schwöre bei Gott,
ich werde keinem Menschen jemals von euch erzählen.«
»Tausend Dollar?«, wiederholte Todd. »Für einen Aschen‐
becher?«
»Jetzt nicht mehr. Jetzt ist er Schrott.« Balenger stieß ein
Glastischchen um und schlug den Aschenbecher gegen den
nächsten Abschnitt der Wand. Der Tisch zerbrach.
»Das dürften zwanzigtausend Dollar gewesen sein«, sagte
Vinnie.
»Hey!«, sagte Mack zu
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