EB1021____Creepers - David Morell
gefeuert und gefeuert.
Mack und JD sind die Stufen raufgerannt. Ich hinterher. Im‐
mer rundherum. Immer im Kreis. Über mir hat einer ge‐
schrien. Mack. Er ist auf mich zugefallen. Seine Beine waren
aufgeschlitzt. Das Blut spritzte wie aus einem Schlauch. Er ist
durch die Lücke zwischen den Stufen und dem Geländer ge‐
stürzt. ›Was hat ihn geschnitten?‹, hat JD gebrüllt. Ich hab kei‐
ne Gelegenheit gehabt, irgendwas zu sagen. ›Das Zimmer mit
dem Tresor!‹, hat er geschrien. ›Wir wissen, wie wir da raus‐
kommen!‹ Er ist die Treppe rauf gestürmt. Und plötzlich ist er
gefallen. Seine Beine waren aufgeschlitzt. Sein Blut spritzte. Ich
hab gedacht, ich habe den Verstand verloren. Ich wäre am
liebsten gerannt, aber ich hab mir gesagt, ich muss langsam
machen, ich muss rauskriegen, was das war da auf der Treppe.
Also bin ich raufgeschlichen und habe die Pistole vorgestreckt
und hin und her geschwenkt, und dann habe ich’s berührt.«
»Berührt…?«
»Ein Draht, der über die Treppe gespannt war. Straff. Dünn.
Sogar mit der Brille hab ich ihn kaum sehen können. Ich hab
ihn mit dem Pistolenlauf gefühlt. Dann hab ich ihn mit dem
Finger berührt. Herrgott, der war so scharf, dass ich mich ge‐
schnitten habe.«
»Natodraht«, sagte Balenger.
»Vielleicht hab ich wirklich den Verstand verloren. Ich bin
unter dem Draht durchgekrochen. Ich bin die Treppe raufge‐
schlichen und habe die Pistole geschwenkt und nach anderen
Drähten gesucht.«
»Du hast Mack und JD lebend da unten gelassen?«
»Glaub mir, so wie die geblutet haben, haben sie nicht mehr
lang gelebt.«
Vom Treppenschacht her, von sehr weit unten, hörten sie
einen Schrei.
»Hört sich so an, als ob einer von ihnen länger gelebt hat als
erwartet«, sagte Balenger. Wieder ein Schrei.
»Wir haben alle den Verstand verloren«, sagte Cora. »Aber
wie hat Ronnie –«
»Er ist euch nach unten gefolgt«, sagte Balenger. »Er war
hinter uns auf der Treppe?«
»Als ihr unten angekommen seid, hat er den Draht über die
Treppe gespannt. Dann hat er das Treppenhaus durch eine
Geheimtür verlassen. Er hat an die Wand gehämmert, damit
ihr in Panik geratet und die Treppe wieder rauf rennt.«
Todd holte ein Handy aus der Tasche. »Was machst du
da?«, fragte Vinnie. »Ruf meinen Bruder in Atlantic City an. Er
wird der Polizei Bescheid sagen. Er wird uns jemanden schik‐
ken.«
»Du bist also endlich doch zu dem Schluss gekommen, dass
du lieber ins Gefängnis gehst, als dich mit Ronnie anzule‐
gen?«, fragte Cora angewidert. »Mein Bruder wird mir den
Arsch retten.« Todd drückte auf die letzte Taste und hielt sich
das Telefon ans Ohr. »Mein Bruder wird die Polizei herschik‐
ken und…« Er lauschte und stöhnte. »Nein. Nein. Nein.«
»Was ist los?« Donner grollte.
»Keine Verbindung!«, sagte Todd. »Der Scheißsturm hat die
Verbindung lahm gelegt!«
»Da hättest du wohl ein bisschen früher anrufen sollen,
was?«, sagte Vinnie; sein Gesicht war rot vor Wut. »Wir sollten
dich an einem Stuhl festkleben und Ronnie alles Weitere über‐
lassen!«
»Werdet ihr aber nicht.«
»Bist du dir da so sicher? Wenn du dir einbildest, ich bin
nicht sauer genug –«
»Ihr könnt’s euch nicht leisten. Jetzt stecken wir zusammen
drin«, sagte Todd. »Kapierst du’s eigentlich nicht? Wir müssen
zusammenhalten. Ihr braucht alles an Hilfe, war ihr kriegen
könnt.«
Vinnie sagte zu Balenger: »Wir haben so viel Zeug in den
Rucksack gestopft, wie reingeht. Den Rest haben wir an die
Gürtel gehängt. Die Akte mit den Polizeiberichten steckt im‐
mer noch in der Vordertasche. Ich nehme mal an, sie haben
nicht gesehen, dass sie drin ist, sonst hätten sie die auch raus‐
geschmissen. Willst du ein Souvenir?« Vinnie reichte ihm eine
Münze.
Balenger hielt sie in der Hand und spürte das Gewicht, die
Dicke, die makellosen Kanten. Ein prachtvoller Adler war auf
der einen Seite. Auf der anderen eine vollbusige Lady Liberty
mit der Fackel in der Hand. Das Gold schien von innen heraus
zu leuchten. TWENTY DOLLARS IN GOD WE TRUST.
»Das ist ein tolles Wort, ›Souvenir‹. Es bedeutet, dass wir’s
vielleicht überleben und uns hinterher daran erinnern können.
Auf die Hoffnung.« Balenger küsste die Münze und schob sie
in die Tasche. »Vielleicht bringt sie uns ja Glück.«
Cora streckte die Hand aus. »Das da ist die Ausrüstung, die
wir für dich übrig gelassen haben.«
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