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Ebbe und Glut

Ebbe und Glut

Titel: Ebbe und Glut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Burkhardt
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…«
    »Was?«, fuhr sie atemlos dazwischen.
    »Na ja … ach … sorry, vergiss es.«
    Sie hörte, wie er tief ausatmete.
    »Viel Glück für den Auftrag«, sagte er, so distanziert wie während des gesamten Gesprächs. »Gute Nacht.«
    »Gute Nacht.«
     
    Mia wusste nicht, wer ihr in dieser Nacht mehr den Schlaf raubte, Arthur Kessler (so hieß er also mit Nachnamen) oder Stefan Büttner, ihr ehemaliger Kollege. Stefan hatte Arthur ihre Adresse gegeben. Wie klein die Welt manchmal war. Und in was für seltsame Richtungen sie sich drehte. Wie hing das alles zusammen? Woher wusste Stefan, wie dringend sie Arbeit suchte? Sie hatten seit Ewigkeiten kein Wort miteinander gewechselt. Und nun bildete ausgerechnet Arthur ein Verbindungsglied zwischen ihnen. Wie seltsam.
    Überhaupt Arthur! Was spielte der für eine eigenartige Rolle in diesem ganzen Zirkus? Mia verstand das nicht. Und was hatte er da eigentlich zum Abschied gesagt? Falls du zufällig noch einen kleinen Nebenjob suchen solltest … Sie dachte an ihr gemeinsames Essen im vergangenen Frühling. Das schien Ewigkeiten her zu sein. Trotzdem hörte sie Arthurs Stimme klar und deutlich. Liege ich falsch damit, dass diese ganzen Neuanschaffungen in unmittelbarem Zusammenhang mit diesem kleinen Nebenjob hier stehen? Sie hatte sich so erbärmlich gefühlt, so gedemütigt, als sie ihm antwortete. Nebenjob ist gut. Ehrlich gesagt ist das zurzeit mein Hauptjob. Kein einziges Wort dieses Gesprächs hatte sie vergessen. Arthur offenbar auch nicht. Falls dieser Mann sich jeden Wortwechsel merkte, den er mit einer seiner vermutlich zahlreichen Gespielinnen führte, musste er ein Gedächtnis wie ein Elefant haben.
    Es war natürlich klar, was er von Mia wollte: dass sie wieder zu ihm kam, vor ihm kniete und hinterher mit ihm Champagner trank, als sei es das Normalste der Welt. Das könnte ihm so passen! Mia wollte nichts mehr mit Arthurs ekelhaften Spielchen zu tun haben. Sie war über diese Phase hinweg, in der sie sich so einsam und verloren gefühlt hatte, dass sie nicht wusste, was sie tat.
    Doch die Nacht war lang und still. Mia bewegte ihre Gedanken und Gefühle hin und her. Sie dachte an Norbert Roth und Elbzeug. An Frank. An Stefan Büttner. Und an Arthur. Alles floss wild durcheinander; was nichts miteinander zu tun hatte, wurde plötzlich eins. Mitten in der Nacht, in einem Moment totaler Übermüdung, in dem sie Traumbilder nicht mehr von der Realität unterscheiden konnte, fasste Mia einen Entschluss.
    Sie würde doch wieder zu Arthur gehen.
    Aber diesmal würden sie nach ihren Regeln spielen.
     
     

14
     
    Als Mia das erste Mal arbeitslos wurde, war es viel schlimmer als diesmal. Die Kündigung traf sie völlig unvorbereitet. Nichts hatte darauf hingedeutet, dass man sie nicht mehr haben wollte. Dabei hätte sie es wissen müssen. Sie war viel zu lange bei Keutner und Lempe dabei. Sie hatte sich häuslich eingerichtet, war Leiterin eines Kreativteams geworden und wurde von den Kollegen geachtet und geschätzt. Aber dann ging sie rückwärts, gab Arbeitszeit und Verantwortung ab, ihre Ziele verschoben sich. Sie war froh, dass ihre Chefs ihre Entscheidung mittrugen.
    Bis jetzt. Auf einmal brach alles zusammen.
    Mia war fassungslos.
    »Es tut mir leid«, sagte Clemens Marquardt, der Geschäftsführer von Keutner und Lempe. »Aber wir stehen kurz vor der Insolvenz.« Das stimmte nicht, aber er hoffte wohl, mit seiner Dramatik etwas Schärfe aus dem Rauswurf zu nehmen. »Wir können im Moment nur noch die Leute gebrauchen, die hier vollen Einsatz zeigen.«
    »Aber das tue ich doch«, warf Mia ein. Sie konnte nicht glauben, dass ausgerechnet sie gehen musste. Es gab Leute, die wesentlich kürzer dabei waren, die der Firma noch nicht über so lange Zeit loyal gedient hatten. Aber diese Kollegen waren alle viel jünger. Bestürzt erkannte Mia, dass man sie ausmusterte wie ein in die Jahre gekommenes Möbelstück. »Oder wart ihr mit meiner Arbeit nicht mehr zufrieden?«, fragte sie, wobei sie nicht wusste, was schlimmer war: zu alt oder zu schlecht für ihren Job geworden zu sein. »Ich weiß, ich hatte in letzter Zeit ein paar persönliche Probleme, aber jetzt bin ich wieder voll dabei. Du kennst mich doch, Clemens. Ich stehe immer wieder auf.« Sie hasste sich dafür, dass sie sich selbst erniedrigte und anfing zu betteln. Sie hätte mit hoch erhobenem Haupt das Büro ihres Chefs verlassen müssen, brüllend wie eine Löwin. Stattdessen kroch sie unterwürfig vor

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