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Ebbe und Glut

Ebbe und Glut

Titel: Ebbe und Glut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Burkhardt
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starrten im trüben Licht der Nachttischlampe die fleckige Zimmerdecke an. Irgendwo im Gang waren Schritte zu hören, eine Tür schlug zu. Sonst war alles ruhig.
    Arthur drückte Mia einen Kuss auf die Haare. Sie schmiegte sich in seine Armbeuge, erschöpft und ratlos.
    »Danke«, sagte sie in die Stille hinein. »Danke für einen sehr besonderen Tag. Aber ich muss jetzt dringend mal in mein eigenes Bett und schlafen.«
    »Ja, klar.« Arthurs Stimme klang heiter und leicht. «Dieses Bett ist sowieso viel zu eng für zwei. Meine alten, kaputten Knochen brauchen mehr Platz.«
    Langsam löste Mia sich von ihm und stand auf. Es war kalt im Zimmer, sie fröstelte, während sie nackt umher lief und ihre Kleider einsammelte. Arthur zog sie zu sich herab und hielt sie noch einmal fest umschlungen.
    »Danke«, murmelte er und küsste sie ein letztes Mal, schnell und wie zum Abschied.
     
    Sie konnte nicht schlafen. Hellwach starrte Mia in die Dunkelheit. In ihrem Schoß fühlte sie Arthur noch pulsieren, auf ihrer Haut brannten seine Küsse, in ihrem Haar hing sein Geruch. Sie sah ihn am Rande der Autobahn hocken, apathisch und unter Schock. Sie sah ihn an seiner Zimmertür stehen, aufgewühlt und ängstlich. Sie spürte ihn in ihrer Umarmung, voller verzweifelter Gier. Und sie sah mit schneidender Klarheit all seine Verletzungen, die inneren genauso wie die äußeren.
    Zu ihrer eigenen Überraschung empfand Mia nach dem ersten Schock weder Mitleid noch Ekel, sondern eine geradezu überwältigende Zärtlichkeit für Arthurs geschundenen Körper und seine verletzte Seele. Sie wusste nicht, wo dieses Gefühl auf einmal herkam, das sie vibrieren ließ. Arthur war doch immer noch der arrogante Banker, der kalte und rücksichtslose Liebhaber. Immer noch führte er ein völlig anderes Leben als Mia, in seiner sterilen Wohnung, seiner Beziehungslosigkeit und seiner Neigung zu eigenartigem Sex. Vorhin im Bett hatte er ja erneut bewiesen, dass er zu normalen Zärtlichkeiten nicht fähig war.
    Und doch fühlte sich auf einmal alles anders an.
    Verwundert erkannte Mia, dass sie in Arthur verliebt war, und das vermutlich nicht erst seit heute. Doch ausgerechnet der zerbrochene, verzweifelte Arthur öffnete ihr Herz. Es war ein überwältigendes Gefühl voller Glück. Und voller Angst.
    Vor allem aber war es ein Gefühl, das an Peinlichkeit nicht mehr zu überbieten war. Sie hatte sich ausgerechnet in den Mann verliebt, der Frauen für Sex bezahlte, der alberne Maßanzüge trug, ein Angeberauto fuhr, zu feige war, anderen Menschen von seiner Behinderung zu erzählen, und der glaubte, alles zu wissen und zu können. Dabei wusste er einen Dreck.
    Mia war fassungslos. Da hätte sie ebenso gut bei Frank bleiben können. Mit ihm und Rocco im Schlepptau hätte sie vermutlich wenigstens ab zu zu noch Spaß gehabt. Mit Arthur schien das unmöglich. In einem früheren Leben mochte das anders gewesen sein, aber das war lange vorbei. Und ob Arthur jemals wieder zu dem Mann werden konnte, der er vor dem Unfall gewesen war, stand in den Sternen.
    Mia rollte sich unter ihrer Decke zusammen. Es wurde höchste Zeit, dass sie diesem Treiben ein Ende setzte. Gleich morgen würde sie Arthur sagen, dass der Sex mit ihm ein riesengroßer Irrtum gewesen sei und sie fortan nur noch rein geschäftlich mit ihm verkehren würde.
    Es reichte, dass ein Mann sie unglücklich gemacht hatte. Ein zweites Mal brauchte sie das nicht.
     
    Mia erwachte gegen sieben aus einem kurzen, aber tiefen Schlaf. Nebenan rührte sich noch nichts. Sie beschloss, zum See zu gehen und ein bisschen frische Luft zu schnappen, bis Arthur auch aufgewacht war.
    Als sie in die Eingangshalle kam, schob die Wirtin einen Briefumschlag über den Tresen. »Den soll ich Ihnen von Ihrem Kollegen geben«, sagte sie mit demselben mürrischen Gesicht wie am Abend zuvor.
    »Von meinem Kollegen?« Verwundert nahm Mia den Umschlag entgegen. »Ist der etwa schon wach?«
    »Allerdings. Der hatte es ja ganz schön eilig heute Morgen.«
    »Eilig? Wieso?« Eine ungute Ahnung stieg in Mia auf.
    »Na, ich dachte, Sie wüssten, dass er einen dringenden Termin hat. Hat er jedenfalls behauptet.« Jetzt lag doch eine Spur Neugier in den wässrigen Augen der Frau.
    »Das wusste ich nicht. Aber ich weiß ja nicht alles, was mein Kollege so macht.« Mia bemühte sich um einen leichten Tonfall. »Wo ist er denn jetzt?«
    »Na fort. Ich sagte doch, dass er es eilig hatte.«
    »Fort?« Mia umklammerte den Umschlag.
    Einer

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