Echo der Vergangenheit (German Edition)
befahl ihre innere Stimme.
»Ich komme mit.«
»Ich muss allein sein, verstehst du?« Was sie vorhatte, musste sie unbedingt allein tun.
»Er beobachtet dich.«
Das war ihr egal. Sie drückte gegen die Metallstange, die Tür schwang auf, und schwüle Luft schlug ihr entgegen.
Atmen.
Ja, sie konnte noch atmen, denn sie war am Leben. Andere hatten dieses Glück nicht.
***
»Sie haben kein Auto.«
Die leicht amüsierte Stimme holte sie am Fuß der Treppe ein. Sie wischte die dumme Träne weg, die ihr über die Wange lief.
»Wie wollen Sie ohne Auto hier wegkommen?«, rief Ramirez ihr nach.
Sie schluckte den Kloß im Hals, sah sich aber nicht um. »Ich dachte, ich stehle einen Streifenwagen.«
Er lachte, und nun drehte Lora sich doch um. Seine dunklen Augen wirkten auf einmal etwas heller. »Das traue ich Ihnen glatt zu«, brummte er.
Wie man ein Auto kurzschloss, hatte Lora mit sechzehn Jahren von Ben gelernt. Ihr Bruder war verrückt nach Autos gewesen – wahrscheinlich besaß er deshalb heute zwei Werkstätten.
»Oder … « Ramirez hielt einen Schlüssel hoch, »Sie nehmen mein Auto, und ich komme mit.«
Der Schlüssel war eine Versuchung. Denn als sie hinausgestürmt war, hatte sie nicht logisch gedacht. Sie wollte nur weg.
»Ich werde keine Fragen stellen. Sie werden kaum merken, dass ich da bin.« Aber da sein würde er. Ein Beschützer.
»Kenton hat Sie geschickt.« Ihre Schutzhaft.
Ramirez schwieg.
Lora drehte sich um und starrte auf die Straße, ohne den Verkehr und die Streifenwagen wahrzunehmen. Hinter ihr wartete Ramirez einfach ab. »Wenn ich nein sage, werden Sie mir einfach folgen, nicht wahr?«
»Nachdem Sie kein Auto haben, dürfte das nicht schwer sein.« Augenblick mal – klang da ein texanischer Dialekt durch?
Lora seufzte. »Gut, kommen Sie. Aber ich fahre.«
Er sprang die Treppe hinunter und warf ihr den Schlüssel zu.
Lora fing ihn mühelos auf.
»Soll mir recht sein.« Ramirez fixierte sie. »Wohin fahren wir?«
Sie umklammerte den Schlüssel. »Ich dachte, Sie stellen keine Fragen.«
»Das war die einzige.«
Na klar.
»Ich muss jemanden besuchen.« Sie war davongestürmt, weil sie mit ihm sprechen musste. Die Geschichte mit Kenton überwältigte sie völlig. Manchmal schien es außer ihm nichts mehr zu geben. Sie wusste nicht, ob ihre Affäre eine Zukunft hatte, und gleichzeitig wurden ihre Erinnerungen immer verschwommener.
Sie drückte auf den Knopf, der die Zentralverriegelung öffnete. Eine dunkle Limousine blinkte. »Keine Sorge, es ist nicht weit«, fügte Lora hinzu, dabei war das eine Lüge. Jeden Tag entfernte er sich ein Stück weiter.
***
Kent sah ihnen durch das Fenster im Flur hinterher. Lora und Jon stiegen in den Wagen, Lora auf der Fahrerseite, und Jon – tja, so seltsam das sein mochte, auf seinem Gesicht lag die Andeutung eines Lächelns.
Die Limousine fuhr los.
»Ganz schön anstrengend, wenn so ein Fall plötzlich persönlich wird, nicht wahr?«, brummte Luke Dante.
Kenton fuhr sich mit der Hand übers Gesicht, dann drehte er sich um und musterte den blonden FBI -Agenten. »Kann man wohl sagen.« Mühsam versuchte er, seinen Zorn zu beherrschen. »Ich will den Kerl kriegen.«
Luke lächelte. »Nein, eigentlich willst du ihn töten. Aber wir sind die Guten, also dürfen wir so etwas nicht sagen.« Seine grünen Augen schauten ein bisschen zu wissend.
Der Mann hatte zu viel Zeit mit Monica verbracht. »Von mir brauchst du kein Profil zu erstellen«, antwortete Kenton und ging ins Vernehmungszimmer zurück.
Natürlich kam Luke ihm nach. »Warum nicht? Wenn ich das richtig sehe, hat Phoenix genau das getan.«
Kenton blieb plötzlich stehen.
»Er hat deine Schwachstelle ausfindig gemacht«, fuhr Luke fort, »und in der bohrt er jetzt kräftig herum. Er bringt Lora in Gefahr, tötet sie aber nicht, dann wäre das Spiel ja zu Ende, aber er lässt dich wissen: Wenn er wollte, könnte er sie kriegen.«
Kenton sah Monica an. Beim Klang von Lukes Stimme hatte sie die Augen aufgerissen.
Kent holte tief Luft und schob alle Gedanken an die Tränen in Loras goldbraunen Augen beiseite. Konzentration. Kontrolle . Monica hatte ihm das Dutzende von Malen vorgemacht. Leg dir einen Panzer zu. Denk an den Fall. Ignorier die Gefühle , sagte er sich.
Manchmal war es verdammt schwer, eine Maske aufzusetzen.
Kent räusperte sich. »Unsere Opfer«, abgesehen von den Feuerwehrleuten, »waren Verbrecher.« Zwar hatte man sie nicht verurteilt, doch der Täter
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