Echo des Blutes: Thriller (German Edition)
umwickelt hatte. Der Streifen war mit Blut befleckt, das von den Wunden auf der Stirn des Opfers stammte.
Jessica hielt die Folie vor die weiße Wand und betrachtete die Blutflecken. Links das verschmierte Blut, das von dem verstümmelten Ohr stammte und das sie ursprünglich als eine ungelenke Acht angesehen hatte. Oben auf dem Papierstreifen eine gerade Linie und darunter der ovale Blutfleck. Auf der Folie sah das Blut schwarz aus.
Warum hatte Byrne die Fotos auf Folien kopiert?
Jessica hielt die nächste Folie mit dem Foto von Preston Braswells Kopf hoch. Alles stimmte überein. Sie sah sich die dritte Folie mit dem Foto von Eduardo Robles’ Kopf an. Weder für sie noch für die anderen Ermittler hatte der geringste Zweifel bestanden, dass die Signatur aller Morde identisch war und es sich um ein und denselben Killer handeln musste.
Doch jetzt sah Jessica die Unterschiede.
»Josh, stellst du bitte mal die Lampe hierhin?«
Bontrager stand auf und schob die Tischlampe über den Tisch zu Jessica. Mit klopfendem Herzen sortierte sie die Folien so, wie es ihr im Augenblick am sinnvollsten erschien.
»Schalte bitte das Oberlicht aus.«
Bontrager ging auf die andere Seite des Zimmers und schaltete das Licht aus. Als er zurückkehrte, hielt Jessica den Stapel Folien ins helle Licht der Lampe.
Und dann sahen sie es.
Es waren fünf Linien, die sich aber nicht genau an jeweils derselben Stelle befanden, sondern übereinanderlagen. Auch die Stichwunden waren an unterschiedlichen Stellen. Die Blutflecken auf der linken Seite, die von der Verstümmelung der Ohren der Opfer herrührten, hatten die Form eines stilisierten Notenschlüssels.
»Mein Gott! Es sind Noten«, sagte Jessica, als sie die entsetzliche Wahrheit erkannte. »Er schreibt eine Melodie auf die Köpfe der Toten, bei jedem Opfer eine Note.«
Bontrager setzte sich wieder hin und gab in das Suchfeld die Begriffe Totentanz und Noten ein.
Sekunden später wurden die Noten auf dem Monitor angezeigt. Die beiden Detectives verglichen die Vorlage mit den Folien. Beides stimmte überein. Der Killer meißelte den letzten Takt vom Totentanz in die Köpfe der Opfer.
Mit den Vier Jahreszeiten war er fertig. Mit Karneval der Tiere noch nicht ganz. Im letzten Takt fehlten noch zwei Noten.
Jessica schaute wieder auf die Verse. Dort lag die Antwort. Sie las alles noch einmal durch.
Ihr Blick fiel auf einen Satz in der Mitte.
Ein wollüstiges Paar sitzt im Moos,
als wollte es vergangene Freuden kosten.
Waren Christa-Marie Schönburg und Kevin Byrne das wollüstige Paar? Führte der Mörder sie in die Nacht zurück, in der sie sich begegnet waren?
Jessica sah auf die Uhr. Es war 22.00 Uhr. Ihnen blieben weniger als zwei Stunden, um herauszufinden, was der Mörder vorhatte.
Und Kevin Byrne war nirgendwo aufzutreiben.
77.
Lucy versteckte sich in einem kleinen Raum neben der Damenumkleide im Untergeschoss an der Rückseite des Hotels. Zwei Frauen hielten sich dort auf. Sie unterhielten sich aufgeregt auf Spanisch. Lucy verstand nicht, was sie sagten, doch das brauchte sie auch nicht. Sie nahm an, dass die beiden das Blut im Flur gesehen hatten und sich fragten, was im Hotel vor sich ging.
Wir treffen uns hier am Sonntagabend um halb zehn. Liebe Grüße von Lucy.
Sie musste verschwinden. Sie würden herausfinden, was passiert war, wenn es nicht schon geschehen war. Sie würden das Türschloss von Zimmer 1208 überprüfen und zu dem Schluss kommen, sie hätte es getan. Es gab viele Möglichkeiten, exakt nachzuweisen, dass sich jemand in einem Zimmer aufgehalten hatte. Lucy glaubte, alles, was sie berührt hatte, abgewischt zu haben. Ganz sicher war sie sich aber nicht.
Sie lauschte dem Gespräch der beiden jungen Frauen. Ihre Schicht begann in Kürze. Wenn sie weg waren, würde sie das Hotel durch den Hintereingang verlassen.
Was hatte sie getan?
78.
Jessica und Bontrager standen in dem Souvenirshop im Erdgeschoss. Jessica hatte Dana Westbrook über ihre neuen Erkenntnisse informiert, und diese würde nun ihrerseits die anderen des Teams in Kenntnis setzen.
Jessica dachte an die Leute, die durch die Lobby schlenderten oder mit Getränken in der Hand in der Lounge saßen. Sie wusste genau, dass sie irgendetwas übersehen hatte, aber es fiel ihr partout nicht ein.
»Ich muss mir die Gästeliste noch einmal ansehen«, sagte Jessica.
»Warte. Ich besorg dir eine.«
Eine Minute später kehrte Bontrager zurück und reichte ihr einen dünnen Stapel Papier.
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