Echo des Blutes: Thriller (German Edition)
und war die Tochter eines Bestohlenen. Sie sagte aus, sie sei zum ersten Mal seit Wochen in den Keller gegangen, um zu waschen, und habe in der kleinen Toilette neben dem Heizungskeller einen Schuhabdruck entdeckt. Der Einbrecher musste durch das Kellerfenster in das Haus eingestiegen sein. Offenbar hatte er die Toilette benutzt. Bei den ersten Ermittlungen hatte niemand einen Blick in die Toilette im Keller geworfen.
Der Schuhabdruck stammte von einem Frye-Stiefel Größe 44. Fotos einer Überwachungskamera bewiesen, dass Kenneth Beckman genau solche Stiefel trug. Detectives suchten Beckmans Arbeitsstelle auf und mussten feststellen, dass er sie aufgegeben hatte.
Als die Detectives mit einem Durchsuchungsbefehl am Haus der Beckmans auf der Lenox Avenue ankamen, standen dort zwei Löschfahrzeuge der Feuerwehr und brannten vier Reihenhäuser lichterloh. Innerhalb weniger Stunden waren die alten Holzhäuser vollkommen niedergebrannt.
Sharon Beckman saß auf der gegenüberliegenden Straßenseite auf dem Bordstein und rauchte eine Zigarette. Niemand hegte die geringsten Zweifel, wer das Feuer gelegt hatte und warum. Unglücklicherweise hatten die Ermittler keine hieb-und stichfesten Beweise. Sharon wurde nicht offiziell verhört und nicht angeklagt.
Nach Angaben der Polizei kidnappte Kenneth Beckman Antoinette Chan später an diesem Abend, brachte sie in ein Haus in South Philly und erschlug sie. Als er drei Tage später in einem Motel in Allentown aufgegriffen und zum Verhör aufs Revier gebracht wurde, verweigerte er die Aussage und verlangte einen Anwalt.
Da sie keine Zeugen und nicht die Möglichkeit hatten, sein Haus zu durchsuchen, wurden alle Anklagepunkte gegen Kenneth Arnold Beckman fallen gelassen.
Und jetzt war er tot.
Als Jessica die Akte mit den Tatortfotos aufschlug, setzte ihr Herzschlag für den Bruchteil einer Sekunde aus. »Verdammter Mist!«
»Was ist?«, fragte Byrne.
Jessica legte zwei der Tatortfotos von Antoinette Chan auf den Tisch, nahm ihr iPhone aus der Tasche und öffnete den Fotoordner. Sie suchte die neuesten Aufnahmen heraus und legte das Handy neben die Fotos auf den Tisch.
Es bestand nicht der geringste Zweifel.
Heute Morgen hatten sie in einem Gebäude in der Federal Street Kenneth Arnold Beckman tot aufgefunden, den Hauptverdächtigen in einem acht Jahre zurückliegenden Mordfall. Damals war eine junge Frau namens Antoinette Chan erschlagen und in demselben Haus in der Federal Street tot aufgefunden worden.
Der Tatort des Chan-Mordes war acht Jahre später der Tatort des Beckman-Mordes.
»Der Verdächtige in einem ungelösten Mordfall wird nun selbst ermordet und in demselben Haus abgelegt wie sein Opfer«, fasste Jessica zusammen.
»Ja«, murmelte Byrne.
»An genau demselben Ort. Und in genau derselben Position wie das erste Opfer.« Jessica zeigte Kevin das Foto und ihr Handy. »Das sind vollkommen identische Tatortfotos, nur dass der zweite Mord, unser Mord, acht Jahre später verübt wurde, Kevin.«
»Acht Jahre und ein paar Monate«, sagte Byrne. »Ja, das sind die Fakten, die uns vorliegen.«
Die beiden Detectives wechselten einen Blick. Sie hatten soeben einen ersten Durchbruch erzielt. Das war kein Mord, der nur aus Rache oder blinder Wut verübt worden war. Da steckte mehr dahinter.
Jessica betrachtete noch einmal die beiden Fotos. In Momenten wie diesen spürte sie die ganze Last ihres Jobs auf den Schultern. In der Geschichte Philadelphias gab es ebenso wie in der Geschichte jeder Großstadt viele ungelöste Mordfälle, Opfer von Wahnsinn und Wut, die jahrelang ungesühnt blieben, während das Böse durch Zeit und Raum hallte.
Die Stadt der Brüderlichen Liebe hatte schwer an ihrem Vermächtnis zu tragen, an Scham und Schuld und Irrsinn, die wie eine Blutspur unter den gepflasterten Straßen hinwegflossen. Jessica starrte auf die Fotos, die im Abstand von acht Jahren aufgenommen worden waren, und auf die misshandelten Leichen der beiden Opfer. Sie waren auf eine Weise miteinander verbunden, die weder sie noch ihr Partner bisher durchschauten. Detective Balzano fragte sich, ob es ihnen gelingen würde, die ganze Geschichte ans Licht zu bringen.
14.
Ich schwebe durch die Dunkelheit. Ich war immer ein Nachtmensch, der den Schlaf meidet und den Wachträume gefangen halten.
Hier sind die Schreie verborgen und still. Es ist ein Ort der Ruhe und des Nachdenkens, ein Ort winterlicher Stille. Viele Jahre lang habe ich mich hier zu Hause gefühlt.
Ich lege den
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